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Ökonomie der Medieninhalte.
Allokative Effizienz und Soziale Chancengleichheit in den Neuen Medien
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4.4 Modelle der privaten Bereitstellung differenzierter öffentlicher Güter im Wettbewerb

4.4.1 Die Theorie des monopolistischen Wettbewerbs

Die drei zuletzt vorgestellten ökonomischen Modelle zeigen für die dargestellten Märkte, dass nur die Lindahl-Preise des Demsetz-Modells (1970) zu einem wohlfahrtsoptimalen Gleichgewicht führen können. Sowohl das Oakland-Modell (1974) mit seinem Verzicht auf interpersonelle Preisdifferenzierung als auch das Thompson-Modell (1968) mit seiner außergewöhnlichen Abschöpfung der gesamten Konsumentenrente bei freiem Marktzutritt ziehen erhebliche Abweichungen vom Pareto-Optimum nach sich. Alle drei Modelle gehen von vollkommener Homogenität der am Markt gehandelten Güter aus. Dieser Bedingung entsprechen Medieninhalte jedoch nicht. Im Gegenteil zeichnen sie sich gerade dadurch aus, dass es für einen einzelnen, urheberrechtlich geschützten Medieninhalt nur einen einzigen Anbieter geben kann. Eine für den Wettbewerb notwendige Konkurrenz kann es nur in Form einer Substitutionskonkurrenz durch das Angebot ähnlicher, aber nicht gleicher Inhalte geben. In seiner ,,Theory of Monopolistic Competition" stellt >>173<< Chamberlin (1956: 59) die Wettbewerbssituation für alle Formen geistigen Eigentums wie folgt dar:

    ,,Every patented article is subject to the competition of more or less imperfect substitutes. It is the same with copyrights. Copyrighted books, periodicals, pictures, dramatic compositions, are monopolies; yet they must meet the competition of similar productions, both copyrighted and not. The individual's control over the price of his own production is held within fairly narrow limits by the abundance and variety of substitutes. Each copyrighted production is monopolized by the holder of the copyright; yet it is also subject to the competition which is present over a wider field."

Da zu den Patenten und urheberrechtlich geschützten Werken auch Handelsmarken hinzukommen, ist der monopolistische Wettbewerb die wohl häufigste Konkurrenzform überhaupt in freien Märkten. ,,Unfortunately, it is also the most difficult form to analyze." (Varian 1993: 429).

Chamberlins Theorie des monopolistischen Wettbewerbs ist als Reaktion auf den Widerspruch zu verstehen, in dem die oft beobachtete Unterauslastung von Skalenökonomien zu Marshalls Theorie des langfristigen Wettbewerbsgleichgewichts steht. Nach dieser Theorie werden im Gleichgewicht alle Skaleneffekte vollständig ausgenutzt (vgl. Eaton und Lipsey 1989: 761-763) Unausgenutzte Skalenökonomien liegen vor, wenn die Produktionsgrenzkosten noch unterhalb der Durchschnittskosten liegen. Durch eine Produktionsausdehnung könnte der Anbieter also seine Durchschnittskosten senken und seinen Gewinn steigern. Eine Ausnahme vom Zwang zur Ausnutzung aller Skalenökonomien gibt es nur für Monopolisten, da eine Angebotsausdehnung den Marktpreis senkt. Hier gibt es daher eine gewinnmaximale Produktionsmenge, die unterhalb vollständiger Auslastung aller Skalenökonomien liegt (siehe Abbildung 4-5). Echte Monopole sind jedoch selten, und sie sind leicht an ihren Monopolgewinnen zu erkennen. Produzenten, die keine Monopolgewinne erwirtschaften, zugleich aber auch vorhandene Skalenökonomien unausgenutzt lassen, konnten daher nicht in Marshalls Wettbewerbsmodell eingeordnet werden.

Chamberlin löste diesen Widerspruch, indem er zeigte, dass in einer monopolistischen Konkurrenz ein einzelner Anbieter zwar Monopolist für sein Produkt ist, die ihm begegnende Nachfrage aber beeinflusst wird von ,,the nature and prices of the substitutes with which it is in close competition." (Chamberlin 1956: 68f) Je geringer die Preise der Substitute sind und je besser diese Konkurrenzangebote das Produkt des Monopolisten ersetzen können, desto schwächer fällt dessen Nachfrage aus. Bei freiem Marktzutritt werden dann so lange neue Anbieter als Konkurrenten hinzukommen, bis die Gewinne auf null gefallen sind. Im Gegensatz zur Analyse einer Monopolsituation oder einer vollkommenen Konkurrenz, in der die Handlungen der Anbieter ohne Einfluss auf die Nachfrage und damit auf die Erlös- und Gewinnsituation anderer Anbieter sind, reicht es zur Analyse der monopolistischen Konkurrenz nicht aus, nach einem individuellen Gleichgewicht zu suchen (vgl. Chamberlin >>174<< 1956: 69). Vielmehr muss ein Gruppengleichgewicht gefunden werden, das von Varian (1993: 430) für den Fall des freien Marktzutritts wie folgt beschrieben wird:

    ,,1. Each firm is selling at a price and output combination on its demand curve.
    2. Each firm is maximizing its profits, given the demand curve facing it.
    3. Entry has forced the profits of each firm down to zero.

    These facts imply a very particular geometrical relationship between the demand curve and the average cost curve: the demand curve and the average cost curve must be tangent to each other."

Abbildung 4-8 stellt diese Bedingungen des Gruppengleichgewichts für einen einzelnen Anbieter graphisch dar. Nur beim Gleichgewichtspreis von P* kann der Anbieter die Gleichgewichtsmenge Q* absetzen, welche in der Lage ist, die Produktionskosten zu decken. Wenn die Nachfragekurve die Durchschnittskostenkurve schneiden würde, gäbe es eine Preis-/Mengenkombination mit positiven Gewinnen. Neue Anbieter würden daraufhin die Substitutionskonkurrenz verschärfen und so die Nachfragekurve nach links unten verschieben - so lange, bis sie wieder eine Tangente ist und die Gewinne null betragen. Wenn sich die Nachfragekurve hingegen weiter von der Durchschnittskostenkurve entfernt, macht der Anbieter einen Verlust und wird aus dem Markt austreten.

Abbildung 4-8:
Nachfragesituation eines einzelnen Anbieters im monopolistischen Gleichgewicht bei freiem Marktzutritt


>>175<<

In Abbildung 4-8 wird auch deutlich, worin die mangelhafte Auslastung von Skalenökonomien im monopolistischen Wettbewerb besteht. Bei der Produktion der Menge Q* liegen die variablen Kosten unterhalb der Durchschnittskosten, und die Durchschnittskostenkurve fällt. Bei der Menge QC wäre das Produktionsniveau erreicht, das von einem Anbieter im vollkommenen Wettbewerb angeboten würde. Im monopolistischen Wettbewerb begegnet ihm aber - wie dem Monopolisten - eine fallende Nachfragekurve. Würde der Anbieter versuchen, die Menge QC abzusetzen, so könnte er keinen kostendeckenden Preis verlangen.

Daher unterliegt jener Kritik der herrschenden Lehrmeinung ein ,,Denkfehler" (Tirole 1995: 635), die die Differenz zwischen Q* und QC lange Zeit als Überschusskapazität (,,excess capacity" (Varian 1993: 430)) bezeichnete. Zwei weitere Punkte machen das deutlich: Erstens setzt die Ausdehnung der Produktion eine Verringerung der Angebotsvielfalt voraus, was wiederum einen wohlfahrtssenkenden Effekt hat. Zweitens kann nur so lange von einer pareto-ineffizienten Situation gesprochen werden, wie die Preise oberhalb der Grenzkosten der Produktion liegen. Da die Preis-/Mengenkombination nur dann abgesetzt werden kann, wenn sie auf der Nachfragekurve liegt, ist das wohlfahrtsoptimale Produktionsniveau QW durch den Schnittpunkt der Grenzkostenfunktion mit der Nachfragefunktion gegeben. QW ist damit zwar größer als Q*, und es gibt tatsächlich eine Überschusskapazität, doch ist QW immer noch kleiner als QC. Die Überschusskapazität ist also wesentlich weniger wohlfahrtsschädlich als traditionell befürchtet. (Vgl. Varian 1993: 430)92 Der korrekt bestimmte Wohlfahrtsverlust besteht in dem kleinen Dreieck rechts von Q* zwischen der Nachfragekurve und den variablen Kosten (vgl. Economides und Wildman 1995: 4).

Damit hat der monopolistische Wettbewerb das gleiche Problem wie ein Monopol oder ein Markt für öffentliche Güter, zu Einheitspreisen ein optimales Produktionsniveau zu erreichen. Dieses Problem kann beim Monopol und bei öffentlichen Gütern durch perfekte Preisdifferenzierung im Sinne Lindahls gelöst werden. Eine direkte Übertragung des Ergebnisses der bisherigen Betrachtung auf den monopolistischen Wettbewerb ist aber nicht möglich. Hier spielt die Frage nach der Ausgewogenheit des Angebots bezüglich (1) der Vielfalt (Anzahl der angebotenen Produktvarianten sowie ihr Differenzierungsgrad) und (2) der Qualität (Nutzenpotential) jeder einer einzelnen Produktvariante (vgl. Kapitel 4.1) eine Rolle, die bislang weder beim Monopol noch bei der privaten Bereitstellung homogener öffentlicher Güter angesprochen wurde. >>176<<

Schon relativ beiläufige Beobachtungen deuten an, dass zumindest der Fernsehmarkt außerstande ist, ein wohlfahrtsoptimales Programmangebot bereitzustellen. So verzeichnet Schröder (1997: 74) als Beitrag des privaten Fernsehens in Deutschland lediglich ein ,,Mehr desgleichen" und beklagt die mutmaßlich mit Absicht verspielten Möglichkeiten, dem Zuschauer ein breiter gefächertes Angebot zu bieten:

    ,,RTL und SAT.1 führten nahezu gleichzeitig das Frühstücksfernsehen ein, entdeckten zur selben Zeit die `Erotik Welle' und nahmen parallel `Gameshows' ins Programm. Daneben verfügen die Sender über sehr ähnliche Programmstrukturen, so daß an Feiertagen Spielfilm gegen Spielfilm antritt und wochentags im Vorabendprogramm Unterhaltungssendungen und Talk-Shows einander zu überbieten versuchen."

Bereits Kapitel 4.1 sprach die Schwierigkeiten der empirischen Erfassung von Vielfalt und Qualität an. Wo dennoch entsprechende Werte erhoben werden, sagen sie nichts Gutes über die Leistungsfähigkeit des Marktes. Levin (1971) stellt für die USA fest, dass ein öffentlicher Bildungsakanal je nach Marktsättigung durch zwei oder fünf kommerzielle Sender zwölf- bzw. achtmal größere Beiträge zur Programmvielfalt leistet als ein weiterer kommerzieller Sender. Wenn man die bislang vorliegenden Untersuchungen zugrunde legt, scheinen Marktkräfte die Sender also eher zur Programmduplizierung als zur Bereitstellung von Vielfalt anzureizen.

Verschiedene Modelle des monopolistischen Wettbewerbs versuchen die Marktregeln zu simulieren, die zu solchen Phänomenen führen können. Einige Modelle schränken ihre Gültigkeit explizit auf den - in den USA seit den fünfziger Jahren intensiv beobachteten - Fernsehmarkt ein. Andere Modelle dagegen versuchen das Verhalten der Anbieter in allen Wirtschaftszweigen zu erklären, in denen die vorhandenen Skalenökonomien nicht vollständig ausgenutzt werden.


4.4.2 Das Steiner-Rothenberg-Beebe-Modell

Das von Steiner (1952) entwickelte Modell eines Marktes im monopolistischen Wettbewerb bezog sich ursprünglich auf das Programmwahlverhalten von Radiohörern. Beebe (1977) greift Steiners Ansatz sowie spätere Ergänzungen durch Wiles (1963) und Rothenberg (1962) auf und entwickelt daraus ein umfassendes Simulationsmodell für den Fernsehmarkt. Zentrale Aufgabe des Modells ist es zu zeigen, unter welchen Umständen ein Monopolist ein besseres Programmangebot bereitstellt als einzelne unabhängige Anbieter im freien Wettbewerb. Zwar wird das Modell in der Literatur oft und ausführlich behandelt93, doch scheinen die von ihm beantworteten Fragen keine aktuelle Bedeutung mehr zu haben. Da zudem die wesentlichen Erkenntnisse des Modells durch einfache Erklärungen dargestellt werden können, wird an >>177<< dieser Stelle zugunsten einer knappen Zusammenfassung auf eine weitere ausführliche Wiedergabe des Modells verzichtet.

Die potentielle Programmvielfalt im Steiner-Rothenberg-Beebe-Modell besteht aus unendlich vielen unterschiedlichen Programmtypen. Gehören zwei Programme dem gleichen Programmtyp an, so sind sie vollständige Substitute. Alle Programme sind werbefinanziert. Da die Einnahmen eines Programms von dessen Zuschauerzahl abhängen, gibt es keinen Preiswettbewerb, und die Anbieter maximieren lediglich ihre Zuschauerzahlen. Jeder potentielle Zuschauer gehört genau einer homogenen Zuschauergruppe an, die Präferenzen für einen einzigen Programmtypus (Steiners Annahme) oder mehrere Programmtypen (Rothenbergs Ergänzung) aufweist. Jeder Zuschauer sieht entweder genau ein oder gar kein Programm. Betrachtet wird eine kurze Periode unter den Bedingungen einer begrenzten vs. unbegrenzten Anzahl verfügbarer Sendekanäle und der Bereitstellung durch ein Monopol vs. der Bereitstellung durch unabhängige Anbieter im Wettbewerb. (Beebe 1977: 18f)

Wenn - wie in Steiners ursprünglichem Modell - jeder potentielle Rundfunkkonsument nur einen einzigen Programmtypus nachfragt, dann erzeugt das Angebot mehrerer konkurrierender Wettbewerber eine geringere soziale Wohlfahrt als das Angebot eines Monopolisten. Da ein Wettbewerber nur die Zahl der Zuschauer seines eigenen Programms maximieren will, lohnt es sich für ihn, Programme anderer Anbieter mit besonders hohen Zuschauerzahlen zu duplizieren. Ohne dass dadurch dem Zuschauer irgendein Nutzen entsteht, werden Ressourcen für die Programmproduktion aufgewendet (Beebe 1977: 23)94 und ein Sendeplatz belegt. Letzteres ist besonders ungünstig, wenn die Anzahl möglicher Programme durch eine Knappheit an Übertragungskapazitäten begrenzt ist. Dann kann Programmduplizierung verhindern, dass bislang noch nicht bereitgestellte Programmtypen einen Sendeplatz finden, obwohl sie ausreichend hohe Werbeeinnahmen mit ihren Zuschauerzahlen erreichen könnten. Ein monopolistischer Anbieter wird dagegen auf Programmduplizierung verzichten und ein wohlfahrtsoptimales Programmangebot bereitstellen. Dieses Angebot enthält jeden Programmtypen nur einmal und bietet die Programme, welche das höchste Zuschaueraufkommen aufweisen. Voraussetzung ist lediglich die Verfügbarkeit einer Sendefrequenz und die Deckung der Produktionskosten durch die Werbeeinnahmen.95 >>178<<

Diese Vorzüge des Monopols sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Zuschauer entweder einen einzigen oder gar keinen Programmtypen sehen (hören) (Beebe 1977: 15). Bei der Vielzahl möglicher Programmtypen und den vielschichtigen Bedürfnissen eines einzelnen Menschen ist diese Annahme Steiners (1952) jedoch kaum nachvollziehbar. Vielmehr ist Beebe zuzustimmen, der von Präferenzstrukturen ausgeht, die beim einzelnen potentiellen Zuschauer Vorlieben für mehrere Programmtypen gleichzeitig zulassen (Beebe 1977: 25). Die Präferenzen nehmen dabei eine ordinale Ordnung an; ist der Programmtyp mit höchster Präferenz nicht verfügbar, so wird auf einen Programmtypen zweiter oder dritter Ordnung ausgewichen. Aufgrund der Art der Finanzierung über Werbung ist ein Anbieter nur daran interessiert, Zuschauerzahlen zu maximieren und nicht Zuschauerbefriedigung, welche in der Bereitstellung möglichst vieler Programme mit höchster Zuschauerpräferenz besteht. Ein gewinnmaximierender Monopolist wird unter solchen Umständen eine geringere Anzahl an Programmen insgesamt und eine geringere Anzahl an Programmen mit höchster Zuschauerpräferenz bereitstellen (Beebe 1977: 25). Besonders deutlich wird das, wenn es ein sogenanntes ,,common denominator program" (Beebe 1977: 19) gibt, das jeder Zuschauer dann sieht, wenn es kein anderes Programm gibt, das ihm besser gefällt.96 Ein Monopolist würde nur dieses einzige Programm bereitstellen und so die Zuschauerzahl mit einem Mindestaufwand maximieren.

Anbieter im Wettbewerb müssen dagegen um jeden einzelnen Zuschauer kämpfen. Als Mittel steht ihnen nur der Grad der Befriedigung von Zuschauerpräferenzen zur Verfügung. Damit haben sie zwar auch bei Vorhandensein von Vorlieben für mehrere Programme einen Anreiz, besonders populäre Programme zu duplizieren, sie produzieren jedoch immer eine größere Vielfalt von Programmtypen mit höchster Zuschauerbefriedigung. (Vgl. Beebe 1977: 25; Owen und Wildman 1992: 87) Im Vergleich zum Monopol steht der Senkung der Produzentenrente (durch Programmduplizierung) daher eine Steigerung der Konsumentenrente gegenüber. Beebe (1977: 33) vermutet zudem, dass besonders bevorzugte Programme den Zuschauern wesentlich mehr wert sind als dies den Anbietern durch die Werbeerlöse signalisiert wird. Weil die Anbieter ihre Programmkosten jedoch mit den Werbeerlösen decken müssen, sind die absoluten Beträge des Wohlfahrtsverlustes aufgrund von Programmduplizierung vermutlich kleiner als die Wohlfahrtsgewinne durch die gezieltere Befriedigung der Zuschauerbedürfnisse, welche der Wettbewerb bei ausreichenden Sendefrequenzen gewährleistet. Da seit der Einführung des Kabelfernsehens Anfang der siebziger Jahre in den USA keine Knappheit an Sendefrequenzen mehr besteht >>179<< (vgl. Owen und Wildman 1992: 15-21), plädiert Beebe (1977: 33) für eine Programmbereitstellung durch einen Wettbewerb mehrerer Anbieter.

Das Steiner-Rothenberg-Beebe-Modell weist zwei Probleme auf. (1) Die Annahme diskreter Programmtypen und diskreter, vollkommen homogener Zuschauergruppen ist eine Modellabstraktion, die viele Möglichkeiten des Produktwettbewerbs ausschließt. Geht man statt dessen von einem Kontinuum der Programmtypen und der Präferenzmuster potentieller Zuschauer aus, so kann man sich auch eine maßvolle ,,Annäherung" eines Programms an ein Konkurrenzprogramm vorstellen. Auch ohne Duplizierung kann so aus dem Zuschauerkreis eines Programms ein Teil gewonnen werden, ohne jedoch den ,,eigenen" Zuschauerkreis verlieren zu müssen. Auf diese Möglichkeiten des Produktwettbewerbs gehen räumliche Modelle ein, die ab Kapitel 4.4.4 angesprochen werden. (2) Die meisten der vom Modell beantworteten Fragen sind durch die neuen technischen Möglichkeiten zur Übertragung einer großen Programmzahl irrelevant geworden. Ohnehin widerspräche eine Empfehlung, den Rundfunk durch ein Monopol bereitstellen zu lassen, den Zielen der Meinungsfreiheit und der Meinungsvielfalt. Andere Fragen bleiben dagegen unbeantwortet. So bietet das Modell keinerlei Möglichkeiten des Vergleichs unterschiedlicher Finanzierungsarten, da es ausschließlich von werbefinanzierten Programmen ausgeht. Überhaupt fehlt dem Modell die Möglichkeit, quantitative Aussagen zu Wohlfahrtseffekten zu machen, und außer den Auswirkungen auf die Programmstruktur werden keine weiteren Wohlfahrtseffekte der Werbung betrachtet (vgl. Müller 1998: 114f).


4.4.3 Das Spence-Owen-Modell

Im Vordergrund des Modells von Spence und Owen (1977) steht die Frage, wie weit und in welche Richtung ein Bezahlfernsehsystem bei der Bereitstellung eines Programmangebots vom Wohlfahrtsoptimum abweicht. Das führt die Untersuchung zu einem Vergleich von Bezahlfernsehen und werbefinanziertem Fernsehen, um politisch relevante Beurteilungen der Finanzierungssysteme vornehmen zu können. Da von Steiner (1952) und anderen Autoren teilweise eine monopolistische Anbieterstruktur im Rundfunk empfohlen wurde, wenden sich Spence und Owen (1977) auch einem Vergleich von Monopol und Wettbewerb zu.

Ähnlich wie das Steiner-Rothenberg-Beebe-Modell hat auch das Spence-Owen-Modell viel Beachtung in der Literatur zur Rundfunkökonomie gefunden.97 Entsprechend kann auch bei diesem Modell auf eine weitere ausführliche Wiedergabe verzichtet werden. Zudem würde die Darstellung der umfangreichen Modellrechnungen auf hohem mathematischen Niveau an dieser Stelle von geringem Nutzen für den Leser sein. Statt dessen sollen nur >>180<< die grundlegenden Prinzipien wiedergegeben werden, die für das Verständnis der Modellergebnisse ausreichen.


4.4.3.1 Das Spence-Owen-Modell als Anwendung eines nicht räumlichen Modells des monopolistischen Wettbewerbs

Das Spence-Owen-Modell des Marktes für Fernsehprogramme basiert auf dem Modell des monopolistischen Wettbewerbs von Spence (1976), welches zur ,,non-address branch" (Eaton und Lipsey 1989: 728) gezählt wird. Hierzu gehört auch das sehr ähnliche Modell von Dixit und Stiglitz (1977), das hier jedoch nicht wiedergegeben wird.

Die Ansätze der non-address branch verzichten im Gegensatz zu den in Kapitel 4.4.4 vorgestellten räumlichen Modellen des monopolistischen Wettbewerbs darauf, differenzierten Produkten eine ,,Produktadresse" in einem ,,Produktraum" zuzuweisen. Modelle des nicht räumlichen Wettbewerbs sind besonders einfach, um zu untersuchen, ob (1) die Anzahl der angebotenen Produktvarianten eine optimale Vielfalt darstellt und ob (2) ein Auswahl-Bias auftritt, der die Produktion bestimmter Arten von Gütern ausschließt, obwohl sie einen positiven Beitrag zur sozialen Wohlfahrt leisten würden. (Vgl. Eaton und Lipsey 1989: 729-731)

In den Modellen verzichten die Anbieter auf einen gegenseitigen Preiswettbewerb (vgl. Eaton und Lipsey 1989: 729; Spence 1976: 235 Endnote 4). Statt dessen streben sie Gewinnmaximierung über die Anpassung ihrer Produktionsmenge an den von außen gegebenen Preis an. Der Markterfolg eines mengenanpassenden Anbieters hängt dann davon ab, ob sich für eine ausreichende Anzahl an Einheiten seines Gutes am Markt Käufer finden.

Die Konsumenten werden von den nicht räumlichen Modellen des monopolistischen Wettbewerbs in einem einzigen ,,repräsentativen Konsumenten" zusammengefasst, so dass auch auf eine, den jeweiligen Präferenzen entsprechende ,,Verortung" der Konsumenten in einem Produktraum verzichtet werden kann. Der repräsentative Konsument konsumiert von allen Produkten jeweils ein bisschen, anstatt nur wenige Vorzugsprodukte auszuwählen. (Vgl. Eaton und Lipsey 1989; Tirole 1995: 659) Das bedeutet gleichzeitig, dass jeder Anbieter jeden Konsumenten mit einem so großen Teil seiner Produktion versorgt, dass sein Gewinn maximiert wird. Mit dieser Mengenanpassung der Wettbewerber als wesentlicher Verhaltensannahme bildet das Modell einen Cournot-Wettbewerb ab.98

>>181<< Auch der Konsument ist ebenso wie jeder Anbieter Preisnehmer und Mengenanpasser. Als Nutzenmaximierer strebt er danach, seine Konsumentenrente, die Gleichung (1) dargestellt, zu maximieren. Die Konsumentenrente ist der Nettonutzen des Konsums und kann als die Differenz zwischen dem Bruttonutzen aller erworbenen Einheiten aller Güter i und den dafür getätigten Ausgaben dargestellt werden. (Vgl. Spence und Owen 1977: 107)

(1)

Der erste Term der rechten Seite von Gleichung (1) stellt den Bruttonutzen des gesamten Bündels differenzierter Güter dar. Der Bruttonutzenfunktion wird ein konkaver Verlauf unterstellt, was nichts anderes bedeutet, als dass der Nutzen zusätzlicher Produktdifferenzierung (der Grenznutzen der Produktdifferenzierung) an jedem Ort der Funktion zwar positiv, aber abnehmend ist. Damit maximiert der Konsument seinen Nettonutzen genau dann, wenn der Nutzen weiterer Produktdifferenzierung exakt dem dafür zu zahlenden Preis entspricht: Der Nutzen u der Einheit x des marginalen Gutes i entspricht ihrem Preis, dargestellt in Gleichung (2). (Vgl. Spence 1976: 221)

(2)

Die Anbieter werden entsprechend bei freiem Marktzutritt so lange immer weitere Produktdifferenzierung betreiben, bis der Preis, den die Nachfrager für eine Einheit des Gutes zu zahlen bereit sind, so weit gesunken ist, dass die Anbieter mit den erzielten Erlösen ihre Kosten gerade noch decken können. Die Kosten jeder einzelnen Einheit bestehen nur zu einem Teil aus den (konstanten) Grenzkosten c der Produktion. Der andere Teil besteht aus dem auf jede einzelne Einheit entfallenden Anteil an den Fixkosten F. Dieser Anteil nimmt aber zu, wenn die Größe der gewinnmaximalen Absatzmenge bei zunehmender Marktsättigung abnimmt. Da so der kostendeckende Preis je Einheit mit zunehmender Marktsättigung steigt, die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager aber gleichzeitig sinkt, führt das Modell zu einem ökonomischen Gleichgewicht.

Spence (1976: 218-220) beginnt die Wohlfahrtsanalyse mit einer Beschreibung des wohlfahrtsoptimalen Niveaus. Er definiert dies ausdrücklich als eine Situation, in der freier Marktzutritt die Profite der Unternehmen auf null senkt, diese aber perfekte Preisdifferenzierung betreiben können. Ein Unternehmen i ist damit in der Lage, den gesamten Nutzen uinetto, den sein Produkt zusätzlich zu allen anderen Gütern produziert, als Erlös abzuschöpfen.99 Diesen Nettonutzen stellt die linke Seite von Gleichung (3) in der Schreibweise von Spence (1976: 218) dar. Die rechte Seite der Gleichung stellt die >>182<< Kosten des Unternehmens dar. Diese Gleichung erfüllt die Bedingung des Wohlfahrtsoptimums, dass die Grenzkosten dem Grenznutzen entsprechen sollen.

(3)

Bei perfekter Preisdifferenzierung maximiert ein gewinnmaximierendes Unternehmen also zwangsläufig auch die gesamte Wohlfahrt (vgl. Spence 1976: 218).100 Wie in einem Lindahl-Gleichgewicht bedeutet in diesem Fall perfekte Preisdifferenzierung keineswegs, dass den Konsumenten die gesamte Konsumentenrente genommen wird. ,,On the contrary, if the products are reasonably close substitutes, the contribution of any given product to total surplus may be small. [. . .] Consumers are indifferent between having and not having any given product, but they are not indifferent between having and not having the entire bundle." (Spence 1976: 219)

Wenn die Anbieter nicht perfekt differenzierte, sondern lediglich einheitliche Preise je konsumierter Einheit von den Konsumenten fordern können, muss man eine Abweichung vom Wohlfahrtsoptimum erwarten (vgl. Spence 1976: 220). Bei Einheitspreisen stellt nicht der Nettobeitrag zur Konsumentenwohlfahrt den Erlös eines Unternehmens i dar, sondern das Produkt aus dem Preis pi(x) und der zu diesem Preis produzierten gewinnmaximalen Menge xi. Nach (2) ist pi(x) gleich ui(x); entsprechend wird Unternehmen i seinen Gewinn πi nach der Gleichung

(4)

maximieren. Wenn der Term xiui(x) aus (4) dem Term u(x) - u(xiei) aus (3) entspricht, wird auch ohne Preisdifferenzierung von den Unternehmen eine wohlfahrtsoptimale Produktion bereitgestellt. Spence (1976: 222) zeigt jedoch, dass dies nur dann der Fall ist, ,,if u(x) is linear in each variable taken separately." Dieser Fall kann aber kaum eintreten, da dann bei jeder einzelnen Produktvariante der Grenznutzen konstant sein würde. Das würde eine total-elastische Nachfrage bedeuten, bei der zu einem Preis pi(x) jede Menge x eines jeden Gutes i abgesetzt wird, sofern der Preis nur die Grenzkosten ci(x) deckt und das Gut angeboten wird. Statt dessen muss eine fallende Nachfrage für jedes Gut unterstellt werden, die bereits bei (1) dem konkaven Verlauf der Bruttonutzenfunktion zugrunde liegt.

Die Konsequenzen für das Angebot an einem Markt für differenzierte Güter lassen sich einfach mit Hilfe graphischer Darstellungen der Nachfragekurven für einzelne Produkte erläutern. Spence und Owen (1977) setzen in ihrem Modell des Fernsehprogrammmarktes die Grenzkosten der Bereitstellung mit null an, was die Analyse vereinfacht. Die Ergebnisse lassen sich so auch leicht auf einen Markt für Medieninhalte übertragen, da auch sie als >>183<< differenzierte öffentliche Güter zwar hohe Fixkosten, aber vernachlässigbare Grenzkosten der Produktion einzelner Kopien aufweisen. Statt von Fernsehprogrammen soll daher schon in der folgenden Darstellung der Modellergebnisse von Spence und Owen (1977) von Medieninhalten gesprochen werden.


4.4.3.2 Zu geringe Angebotsvielfalt am Markt für Medieninhalte

Abbildung 4-9 zeigt den Verlauf der Nachfragekurve Ni, die einem Anbieter i begegnet. Der Verlauf von Ni hängt ab von Preis und Vielfalt der am Markt angebotenen Medieninhalte anderer Anbieter. Je gesättigter der Markt, desto größer fällt die Substitutionskonkurrenz für Inhalt i aus und desto näher liegt Ni am Ursprung. Der Preissetzungsspielraum des Anbieters i ist auf den Verlauf von Ni begrenzt. Mit Pi* wählt der Anbieter den erlösmaximalen Cournot-Preis, zu dem die Menge Qi* abgesetzt wird. Eine Ausdehnung der Produktion über die Menge Qi* hinaus erzwänge eine so starke Preissenkung, dass der Grenzerlös GEi negativ werden würde.

Abbildung 4-9:
Erlösmaximierung des Inhalteanbieters bei Einheitspreisen

Abbildung 4-9 zeigt zwei wohlfahrtssenkende Effekte der Einheitsbepreisung. Der erste Effekt besteht darin, dass der Einheitspreis Pi* jene potentielle Produktion verhindert, deren Nutzen je Einheit unterhalb von Pi*, aber noch über den Grenzkosten der Versorgung liegt. Dieser Wohlfahrtsver- >>184<< lust beträgt die Fläche cde und ist bereits in Abbildung 4-5 als Wohlfahrtsverlust des Monopols dargestellt worden. Der zweite wohlfahrtssenkende Effekt ist schwerer zu verstehen. Zunächst ist einsichtig, dass der Anbieter nicht den gesamten Nutzen, den die Konsumenten durch alle Qi* Nutzungseinheiten seines Inhalts erzielen, als Erlös abschöpfen kann. Dieser Verlust potentiellen Erlöses ist in der Abbildung als die Fläche abc gekennzeichnet. Während die Fläche cde nicht nur einen entgangenen Erlös des Anbieters, sondern einen unmittelbaren Wohlfahrtsverlust darstellt, stellt die Fläche abc immerhin die Konsumentenrente dar, kann also nicht direkt als verlorene Wohlfahrt betrachtet werden. Aber auch diese unvollständige Abschöpfung des Produktnutzens bedeutet, dass einige potentiell wohlfahrtssteigernde Produkte nicht produziert werden, weil ihr Erlös nicht kostendeckend ist. (Vgl. Owen und Wildman 1992: 110f; Spence 1976: 223)

Wenn hingegen die Anbieter in der Lage wären, auch die Flächen abc und cde als Erlös abzuschöpfen, so würden alle Inhalte erstellt, deren Wohlfahrtsbeitrag nicht negativ ist. Da das die Angebotsvielfalt erhöhen würde, nähme auch die Substitutionskonkurrenz zu. Die entsprechend nach links unten verschobenen Nachfragekurven für die einzelnen Güter führen dann zu einem neuen Gleichgewicht, in dem die Konsumenten eine größere Menge zu niedrigeren (Durchschnitts-)Preisen konsumieren. Dabei entsteht die von Spence (1976: 219) erwähnte Konsumentenrente, die die Nachfrager bei perfekter Preisdifferenzierung zwar nicht in Bezug auf ein einzelnes Angebot, aber in Bezug auf die gesamte Angebotsvielfalt wahrnehmen können. Für einen Markt mit Einheitspreisen für differenzierte Güter wie Medieninhalte zeigen die nicht räumlichen Modelle daher eine suboptimale Angebotsvielfalt auf.


4.4.3.3 Diskriminierung von Inhalten mit konvexem Verlauf der Nachfragekurve

Der Nachfragekurve von Inhalt i in Abbildung 4-9 wurde ein linearer Verlauf unterstellt. Tatsächlich sind aber die unterschiedlichsten Verläufe denkbar, sofern sie keinen steigenden oder an allen Stellen konstanten Grenznutzen widerspiegeln. Abbildung 4-10 stellt neben dem linearen Verlauf auch einen konvexen und einen ,,optimalen" Verlauf der Nachfragekurve dar. Die Flächen unterhalb der Nachfragekurven sind jeweils gleich groß und stellen den möglichen Nutzen dar, den das Gut bei allen potentiellen Konsumenten erzeugen kann. Die schraffierten Rechtecke, die die Nachfragekurven berühren, stellen den vom Verlauf der Nachfragekurven abhängigen maximalen Erlös dar, den ein Anbieter mit Einheitspreisen erzielen kann. Je kleiner diese Fläche ist, desto kleiner ist der Anteil, den der Anbieter vom potentiellen Nutzen des Gutes zur Deckung der Kosten erhält. >>185<<

Nioptimal ist die wohlfahrtsoptimal verlaufende Nachfragekurve, weil der Anbieter den gesamten Nutzen des Inhalts mit einem Einheitspreis abschöpfen kann und keinen Konsumenten ausschließt. Der erlösmaximale Einheitspreis entspricht exakt dem Preis, den auch ein perfekt preisdifferenzierender Anbieter von jedem Nachfrager fordern würde. Der Erlös bei einer linearer Nachfragekurve vereinnahmt dagegen nur die Hälfte des möglichen Nutzens, und bei konvexen Verläufen der Nachfragekurve fällt der Anteil des Anbietererlöses am potentiellen Nutzen noch geringer aus. Die Finanzierung des Angebots differenzierter Güter wie Medieninhalte fällt daher um so schwerer, je konvexer ihre Nachfragefunktion verläuft. (Vgl. Owen und Wildman 1992: 111) Für den Fall von Fernsehprogrammen sehen Spence und Owen (1977: 112) den daraus resultierenden Angebots-Bias gegen Minderheitenprogramme (,,special interest programs") gerichtet, da sie bei diesen Programmen besonders konvex verlaufende Nachfragekurven erwarten. Spence (1976: 225) zeigt jedoch, dass ,,special interest products" durchaus eine Nachfrage aufweisen können, die im Extremfall durch den Verlauf von Nioptimal präsentiert werden kann.

Abbildung 4-10:
Angebots-Bias aufgrund der Abhängigkeit des Erlöses vom Verlauf der Nachfragefunktion


>>186<<


4.4.3.4 Diskriminierung von Inhalten mit hohen Produktionskosten

Das Phänomen, dass zu Einheitspreisen nur ein Teil des Nutzens eines Medieninhalts zur Deckung der Produktionskosten zur Verfügung steht, verursacht am Markt auch eine Diskriminierung von Inhalten mit hohen Produktionskosten. Unterstellt man steigende Grenzkosten der Investition in den potentiellen Produktnutzen (die Fläche unter der Nachfragekurve), so ist folgendes Rechenbeispiel denkbar: Version A eines Inhalts weist einen geringen Nutzen auf; die Fläche unter der Nachfragekurve entspricht einem Nutzenwert in Höhe von 100 €. Version B des Inhalts hat ebenso wie Version A einen linearen Verlauf der Nachfragekurve, weist aber einen doppelt so hohen Nutzen (200 €) auf. Die Produktionskosten von Version B betragen aber das Dreifache von Version A: statt 40 € dort müssen mindestens 120 € als Erlös abgeschöpft werden. Bei linearem Verlauf beider Nachfragekurven kann jedoch nur die Hälfte des potentiellen Nutzens abgeschöpft werden. Obwohl daher der Nutzenwert von B abzüglich der Produktionskosten mit 80 € größer ist als der entsprechende Nutzen von A (50 €), kann nur Version A angeboten werden. Während der Anbieter von Version A einen Gewinn von zehn € machen kann, würde ein Anbieter von B einen Verlust von zwanzig € erleiden.101


4.4.3.5 Beurteilung von Werbefinanzierung im Spence-Owen-Modell

Die Annahmen, die Spence und Owen (1977) der Analyse einer Werbefinanzierung des Fernsehprogrammangebots zugrundelegen, sind vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus Kapitel 2.5.2 äußerst problematisch. Erstens ignorieren Spence und Owen (1977) vollständig die ökonomischen Effekte der Werbung, die über den Markt für Medieninhalte (Fernsehprogramme) hinausgehen. ,,Since we are not interested in the advertising market per se, but only in its impact on programming, we shall assume that advertisers pay exactly what advertising is worth to them. Thus the surplus in the advertising market is equal to the revenues it provides the suppliers of programs." (Spence und Owen 1977: 108) Die Autoren gehen daher implizit davon aus, dass die Werbetreibenden einen AON-Preis zahlen und andere Effekte auf die soziale Wohlfahrt nicht berücksichtigt zu werden brauchen. >>187<<

Zweitens nehmen sie an, dass Werbung den Wert einer Sendung nicht beeinträchtigt. ,,Under advertiser support, the per program charge to the viewer is zero: pricing is efficient." (Spence und Owen 1977: 104) Diese Annahme ist nicht haltbar. Im Gegenteil zahlen die Konsumenten einen Preis in Höhe ihrer Opportunitätskosten der Zeit (vgl. Owen und Wildman 1992: 126). Statt sich zum Werbekonsum nötigen zu lassen, könnten die Nachfrager einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder Programminhalte aufnehmen, die sie sich selbst aussuchen. Ein Vergleich der Programmstruktureffekte führt unter dieser Modellannahme daher zu falschen Ergebnissen.

An dieser Stelle kann daher auf die Wiedergabe der Ergebnisse von Spence und Owen zur Werbefinanzierung verzichtet werden. Glaubwürdiger sind dagegen die Ergebnisse einer Variation des Spence-Owen-Modells durch Wildman und Owen (1985: 264-272). Die Autoren gehen von einer Senkung der Zuschauerwertschätzung für ein Programm aufgrund von Werbung aus, die der Senkung der Wertschätzung durch die Erhebung eines monetären Preises je Zeiteinheit entspricht. Die den Konsumenten verbleibende Konsumentenrente nimmt in beiden Fällen den gleichen Betrag an, und auch der Ausschluss von Zuschauergruppen mit einer geringen Wertschätzung für ein Programm erfolgt in gleichem Ausmaß. (Vgl. Wildman und Owen 1985: 267) Nur bei unterschiedlich verteilter Aversion gegen Werbeeinblendungen treten Programmstruktureffekte in Abhängigkeit von der Finanzierungsform auf. ,,[T]he profitability of pay-TV relative to advertiser-supported TV is greater the more sensitive viewers are to the presence of advertising and the lower the price advertisers are willing to pay per viewer. The profitability of pay relative to advertiser support will be greater the less elastic is consumer demand for pay programs." (Wildman und Owen 1985: 254)


4.4.3.6 Wettbewerb und Monopol im Spence-Owen-Modell

Der wichtigste Unterschied zwischen Monopol und monopolistischem Wettbewerb liegt darin, dass der Monopolist die Summe aller Profite aus der Bereitstellung aller Inhalte maximiert, während ein Anbieter im Wettbewerb nur seinen eigenen Gewinn maximieren will. Im monopolistischen Wettbewerb führt der freie Marktzutritt jedoch dazu, dass im Gleichgewicht der Gewinn eines Anbieters null ist. Schließlich wird der Absatzmarkt für einen neu am Markt angebotenen Inhalt nicht neu geschaffen, sondern zum Teil von anderen Anbietern ,,kannibalisiert" (Owen und Wildman 1992: 148), deren Absatz und Gewinn dadurch abnimmt. Dieser ,,Abwerbung" oder ,,Handelsablenkung" (Tirole 1995: 637) genannte Effekt kann von einem Monopolisten verhindert werden, weil er die Höhe der Angebotsvielfalt und damit die Stärke der Substitutionskonkurrenz kontrollieren kann. Entsprechend stellen auch Spence und Owen (1977: 112f) für den Fall von Bezahlfernsehen in ihrem Modell fest, dass ein Monopol zu noch geringerer Angebotsvielfalt und zu höheren Preisen >>188<< führt als monopolistischer Wettbewerb. Sie befinden sich damit in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Beebe (1977: 15 fn1), können aber zusätzlich nachweisen, dass der Markt auch im Monopol Programme mit konvexen Nachfragekurven und Programme mit hohen Produktionskosten benachteiligt.


4.4.4 Monopolistischer Wettbewerb im Produktraum

Spence und Owen (1977) liefern sehr eindeutige Aussagen über das Angebot eines Marktes für Bezahlfernsehprogramme, die auch auf Medieninhalte im allgemeinen übertragbar sein müssten: Die Angebotsvielfalt ist zu gering, und zusätzlich diskriminiert der Markt Inhalte mit hohen Produktionskosten und solche mit vergleichsweise konvex verlaufender Nachfrage. Alle erkannten Probleme des monopolistischen Wettbewerbs werden jedoch in diesem Modell beseitigt, wenn die Anbieter perfekt preisdifferenzieren könnten.

Allerdings stellt das Spence-Owen-Modell als nicht räumliches Modell des monopolistischen Wettbewerbs ein besonders vereinfachtes Abbild der Realität dar. Mit der Annahme des repräsentativen Konsumenten ignoriert es die Tatsache, dass Geschmack und Bedürfnisse der Konsumenten verschieden sind und jeder Konsument nur einige wenige, besonders bevorzugte Güter nachfragt. (Vgl. Eaton und Lipsey 1989: 731) Besonders am Markt für Medieninhalte ist offensichtlich, dass zum einen die Nachfrager kaum von allen angebotenen Gütern einen Teil konsumieren können. Zum anderen verkaufen die meisten Anbieter ihren Nachfragern ihr vollständiges Angebot auf einmal zu einem AON-Preis. Ihr Gut ist unteilbar und kann daher nicht in beliebig vielen Teilmengen zu einem gewinnmaximierenden Preis je Einheit abgegeben werden. Lediglich beim Vertrieb der Inhalte über nutzungsabhängige Gebühren (pay per use, vgl. Kapitel 2.5.1.4 und 3.4.1) lässt sich daher die Abbildung eines Mengenwettbewerbs nach Cournot rechtfertigen, da hier der Handel eine Teilbarkeit des angebotenen Gutes simuliert. Kapitel 4.4.5.1 wird auf diesen Punkt noch weiter eingehen.

Die räumlichen Modelle des monopolistischen Wettbewerbs, deren Wurzeln in Hotellings (1929) Aufsatz ,,Stability in Competition" liegen, scheinen einen Markt für Medieninhalte hingegen angemessener abzubilden. In diesen Modellen des ,,address approach" (Eaton und Lipsey 1989: 734) hat jedes Gut drei Eigenschaften: Preis, Qualität und Adresse. Preis und Qualität des Gutes werden von allen Nachfragern in gleicher Weise bewertet. Die Adresse ist die einzige Eigenschaft des Gutes, die von den Nachfragern in unterschiedlicher Weise geschätzt wird. Die Farbe eines Autos oder das Genre eines Films kann eine solche Eigenschaft sein, deren Wertschätzung vom Geschmack des Nachfragers abhängt. Eine besonders anschauliche Darstellung einer solchen Eigenschaft erfolgt als ein räumlicher Standort des Gutes. Er wird in den räumlichen Modellen durch die Adresse in einem Produktraum >>189<< angegeben. (Vgl. Tirole 1995: 213) Im Folgenden kommt der Produktraum nur in seiner einfachsten Form, einer Linie, vor, bei der die Adresse durch eine einzige Zahl angegeben werden kann.

Entsprechend der horizontalen Differenzierung der Güter sind auch die Nachfrager im Produktraum verteilt. Dabei wird in den vorgestellten Modellen von einer gleichmäßigen Verteilung aller Nachfrager ausgegangen. Je genauer die Produktadresse mit der Konsumentenadresse übereinstimmt, desto höher ist bei gleichem Preis und gleicher Qualität die Wertschätzung des Nachfragers für das Gut. Die Differenz zwischen den beiden Adressen wird als Transportaufwand behandelt, welcher gemeinsam mit dem zu zahlenden Preis von dem von der Qualität abhängigen Bruttonutzen des Gutes abgezogen wird. Ist der Nettonutzen des Gutes positiv, so kauft der Nachfrager in den einfachen Modellen genau eine Einheit, sofern kein anderes Gut einen höheren Nettonutzen aufweist. (Vgl. Tirole 1995: 213-216) Kompliziertere Modelle weisen anstelle dieser vollkommen unelastischen Nachfrage eine elastische Nachfrage auf, doch ist diese Erweiterung für die Abbildung der Ein-Gut-Nachfrage am Inhaltemarkt nicht nötig.

Die Suche nach einem Wohlfahrtsoptimum gestaltet sich in den räumlichen Modellen des monopolistischen Wettbewerbs schwierig, da nicht auf das Pareto-Kriterium zurückgegriffen werden kann. Schließlich könnte jede Veränderung des Angebots dazu führen, dass sich die Distanzen der Güter zu einzelnen Nachfragern verändern und deren Transportkosten damit zunehmen. So fehlt die ,,unsichtbare Hand", die im Einverständnis aller Akteure den Markt zu einem wohlfahrtsoptimalen Gleichgewicht führt. Das Optimum kann nur durch die Ermittlung eines Wohlfahrtswertes gefunden werden, der alle Kosten und Nutzen des Marktes zusammenfasst. Das Wohlfahrtsoptimum ist entsprechend stets dann erreicht, wenn nach Abzug der Produktionskosten und aller von den Nachfragern aufgewendeten Transportkosten von dem durch den Konsum aller Güter erzielten Nutzen ein maximaler Wert zurückbleibt. Dieser Wert entspricht zwangsläufig der Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente. (Vgl. Eaton und Lipsey 1989: 739f)


4.4.4.1 Räumlicher Wettbewerb mit freier Produktplatzierung, festen Preisen und fester Qualität

Die einfachste Wettbewerbssituation differenzierter Güter im Produktraum tritt ein, wenn die Anbieter weder Qualität noch Preis ihrer Angebote verändern können, sondern nur ihre Adresse. Man kann sich den Produktraum zum Beispiel als einen langen Strand vorstellen, über den Badegäste gleichmäßig verteilt sind. Zwei Händler möchten an die Badegäste Eis verkaufen. Da sie ihr Eis vom gleichen Hersteller mit festgelegten Abgabepreisen beziehen, tragen sie ihren Wettbewerb nur über den Standort aus, an dem sie ihre Verkaufsstände platzieren. Wohlfahrtsoptimal wäre die Lösung, die >>190<< Abbildung 4-11 (I) zeigt. Die beiden Händler haben als Standorte die Adressen ¼ und ¾ gewählt, die genau zwischen den Enden des Strandes (0 und 1) und der Strandmitte (½) liegen. Damit sind die Transportkosten der Badegäste minimal. Abbildung 4-11 (II) zeigt aber, dass der linke Händler L seinen Käuferkreis vergrößern kann, indem er weiter auf Händler R zugeht: Ohne Käufer zu verlieren, die links von ihm sind, gewinnt L einen um so größeren Teil der Käufer links von R hinzu, je weiter er nach rechts geht, aber links von R bleibt. (Vgl. Varian 1993: 431f)

Abbildung 4-11:
Optimum und Marktergebnis beim Wettbewerb um den Standort

Nun kann Händler R natürlich ähnlich handeln und nach der Situation in Abbildung 4-11 (II) seinen Standort etwas links von L beziehen. Eine solche Situation strebt nach einem Gleichgewicht, in dem beide Händler genau in der Mitte sind. Hier sind die von allen Nachfragern aufgewendeten Transportkosten jedoch doppelt so groß wie im Optimum (vgl. Hotelling 1929: 52)102. Der monopolistischen Wettbewerb führt unter solchen Bedingungen daher zu einem Gleichgewicht mit einer ineffizienten minimalen Differenzierung der Standorte - die Nachfrager wären genau so gut bedient, wenn es nur einen einzigen Anbieter gäbe. (Vgl. auch Tirole 1995: 632-634)103

Schon leicht veränderte Rahmenbedingungen führen jedoch zu abweichenden Modellergebnissen. Tritt auf dem Strand zum Beispiel ein Dritter Verkäufer hinzu und bezieht seinen Standort auch in der Mitte, so verkauft >>191<< jeder Händler an ein Drittel der Badegäste. Durch einen Standortwechsel weiter von der Mitte entfernt wird ein Händler seinen Marktanteil auf Kosten eines anderen Händlers steigern. Dieser wird dann durch eine Standortverlagerung seinerseits seinen Marktanteil verbessern. Erreicht ein solches System mit mehr als zwei Anbietern ein stabiles Gleichgewicht, so ist dies zwar noch nicht unbedingt wohlfahrtsoptimal, von einer minimalen Differenzierung kann aber keine Rede mehr sein. (Vgl. Lerner und Singer 1937: 176-179)

Eine weitere Einschränkung des Prinzips minimaler Produktdifferenzierung ist in der Größe des Strands zu sehen. Wenn dieser so groß ist, dass für die Badegäste an den Enden der Weg zur Mitte zu weit ist, dann ist die Standortannäherung der Händler unattraktiv: Für jeden Kunden, den sie dem Konkurrenten abnehmen, müssen sie sich so weit zur Mitte bewegen, dass sie zwei Kunden auf ihrer Seite verlieren. (Vgl. Lerner und Singer 1937: 153 zu einem ähnlichen Problem) Auch ist ein Strand denkbar, der kreisförmig um einen kleinen See verläuft. Hier ist kein Standort per se besser als ein anderer, und es besteht kein Zwang zur gegenseitigen Annäherung, selbst wenn es nur zwei Händler gibt und der Strand klein ist. (Vgl. Tirole 1995: 622)


4.4.4.2 Räumlicher Wettbewerb mit symmetrischer Produktplatzierung, freien Preisen und fester Qualität

Schon das erste Modell des räumlichen Wettbewerbs, die von Hotelling (1929) in seinem aufsehenerregenden Aufsatz ,,Stability in Competition" beschriebene ,,lineare Stadt", ließ sowohl horizontale Differenzierung (freie Standortwahl) als auch freie Preisgestaltung der Anbieter zu. Dieser Aufsatz bot die Grundlage für das viel diskutierte ,,Principle of Minimum Differentiation" (D'Aspremont, Gabszewicz und Thisse 1979: 1145), welches unter sehr restriktiven Bedingungen in Kapitel 4.4.4.1 bestätigt werden konnte. Lerner und Singer (1937) sowie D'Aspremont, Gabszewicz und Thisse (1979) wiesen jedoch so viele Fehler in Hotellings Aufsatz nach, dass seine vollständige Wiedergabe mit allen notwendigen Korrekturen im Rahmen dieser Arbeit zu aufwendig und unergiebig wäre.

Statt dessen werden die Konsequenzen freier Standortwahl und Preisgestaltung für das Marktangebot zunächst anhand des Modells der ,,kreisförmigen Stadt" dargestellt. Dieses Modell geht auf Salop (1979) zurück, war aber schon in Ansätzen in Lerner und Singer (1937) zu erkennen. Dieses kreisförmige Modell hat im Gegensatz zu den linearen Produkträumen keine Standorte, die grundsätzlich besser sind als andere. So gibt es auch keine besonders ungünstigen Standorte an den ,,Außenrändern" des Produktraumes, und es ist möglich, von einer symmetrischen Standortwahl der Anbieter auszugehen. In einem solchen Fall sind die Marktanteile und die Preise aller Anbieter gleich, und das Marktgleichgewicht kann bereits durch die Gleichgewichtsbedingungen für einen einzigen Anbieter gefunden werden. Das >>192<< Kreismodell des räumlichen Wettbewerbs ist aufgrund seiner einfachen Handhabung auch die Grundlage von Kapitel 4.4.4.4, in dem die Folgen freier Qualitätsgestaltung durch die Anbieter untersucht werden.

Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die Wiedergabe der Arbeit von Waterman (1990), welcher das ursprüngliche Modell von Salop (1979) für den Markt für Informationsgüter anwendet. Wie bei Salop sind alle Nachfrager gleichmäßig über den Modellkreis verteilt. Die Länge des Kreisumfangs setzt Waterman ebenso mit 1 an wie die Dichte der Nachfrager, von denen jeder eine Adresse Xi erhält. Die n differenzierten Güter erhalten die Produktadressen Xj mit j = 1, . . . n. Wegen der Symmetrieanforderung sind die Abstände zwischen zwei Produktstandorten gleich groß. Der Nettonutzen Uij eines Nachfragers Xi aus einem Gut Xj ist abhängig vom Abstand xij des Nachfragers zum Produktstandort und wird definiert durch die lineare Nutzenfunktion

(5) .

Waterman untersucht nur den Fall für 0 < λ ≤ 2. Da λ die Kosten des Transports über den gesamten Kreisumfang angibt, ist gewährleistet, dass jedes Gut noch an jedem Ort des Kreises nach Abzug der Transportkosten einen Nettonutzen von mindestens null zeigt.104 Aus Abbildung 4-5 (auf Seite 156) ist ersichtlich, dass jeder Anbieter, der als einziger ein Gut auf einem solchen Markt anbietet, mit dem gewinnmaximalen Cournot-Preis einen Absatzmarkt von mindestens der Hälfte des gesamten Kreises erreicht. Das bedeutet für den von Waterman untersuchten Wettbewerbsfall, dass jeder potentielle Nachfrager bedient wird.105 Waterman setzt der Marktnachfrage mit dieser Untergrenze aber auch eine obere Grenze, indem jeder Nachfrager nicht nur minimal, sondern auch maximal ein differenziertes Produkt konsumiert - die Nachfrage ist vollkommen unelastisch. (Vgl. Waterman 1990: 293-295)

Die Zahl differenzierter Produkte sowie ihr Preis im Gleichgewicht lässt sich nun aufgrund der Symmetriebedingung in Watermans Modell über die Adresse des indifferenten Nachfragers Xi bestimmen, der sich in der Mitte zwischen zwei Produkten befindet. Die beiden Produkte Xj und Xj+1 werden im Folgenden als Gut 1 und Gut 2 bezeichnet. Xi hat zu Gut 1 einen Abstand >>193<< von xi und zu Gut 2 einen Abstand von (1/n - xi). Für Xi gilt demnach bei Preisen von P1 bzw. P2

(6)

oder

(7) .

Bei marginalen Kosten der Produktion in Höhe von null und Fixkosten in Höhe von F ergeben sich damit für den Anbieter von Gut 1 Gewinne in Höhe von

(8)

Setzt man (7) in (8) ein, so erhält man für den Gleichgewichtspreis P1* die Bedingung

(9) .

Für das Marktgleichgewicht setzt Waterman (1990: 295) den Gewinn jeden Anbieters mit null an, da sich ein Markteintritt für neue Anbieter so lange lohnt, wie die zu erwartenden Gewinne nicht negativ sind. Hierfür ist es notwendig, von zwei Problemen abzusehen: (1) Das sogenannte ,,Integerproblem" - die Anzahl der Anbieter in einem Markt ist notwendigerweise ganzzahlig. Dass eine solche Anzahl von Anbietern einen Gewinn von null genau trifft, ist jedoch höchst unwahrscheinlich. Da die Gewinne nicht negativ werden können, ist in der Realität mit positiven Gewinnen und damit auch mit einer kleineren Anbieterzahl zu rechnen als die Modellrechnung angibt. (2) Die Möglichkeit eines Abschreckungsgleichgewichts - die ersten Anbieter verteilen sich entlang des Kreises in gleichen Abständen, welche möglichst groß, aber auch gerade noch klein genug sind, dass neue Anbieter, welche sich zwischen den ersten Anbietern niederlassen würden, zwangsläufig Verluste erzielen. Weitere Anbieter werden so wirksam von einem Markteintritt abgeschreckt. Die Gewinne der Anbieter sind dann positiv und die Anbieterzahl ist im Grenzfall genau halb so groß wie von der Modellrechnung angegeben. (Vgl. Eaton und Lipsey (1989: 749f), Salop (1979: 155), die dort angegebene Literatur und die Ausführungen zu diesem Thema in Kapitel 4.4.4.5) Wenn man wie Waterman und Salop aber davon ausgeht, dass die Gewinne gleich null sind und der Markt vollkommen symmetrisch ist, erhält man für den Gleichgewichtspreis

(10)

und für die Anzahl differenzierter Güter im Gleichgewicht

(11) .
>>194<<

Die Interpretation von (10) und (11) ist leicht nachzuvollziehen: Je höher die Fixkosten F, desto höher ist der Gleichgewichtspreis P* und desto niedriger ist die Produktvielfalt n*. Da λ die Bedeutung der Transportkosten für den Nettonutzen angibt, ist λ zugleich auch eine Einheit für die Nachfragerwertschätzung für die Angebotsvielfalt, da diese die zu überwindenden Distanzen verkürzt. Je höher λ, desto höher daher n* und damit auch P*, da die Fixkosten unverändert bleiben und nun von einem geringeren Nachfragerkreis je Produktvariante gedeckt werden müssen. (Vgl. Waterman 1990: 295; aber auch Salop 1979: 145-149 für eine ausführlichere Darstellung)

Die soziale Wohlfahrt besteht aus der Summe von Konsumentenrente und Produzentenrente. Es ist daher zur Bestimmung des Wohlfahrtsoptimums irrelevant, wie sich der soziale Überschuss auf Konsumenten und Produzenten verteilt. Es ist ausreichend, die soziale Wohlfahrt W als Differenz des Nachfragernutzens und der Summe nF aller Produktionskosten im Hinblick auf die optimale Angebotsvielfalt no zu maximieren. Entsprechend erhält man durch Maximierung von

(12)

die wohlfahrtsoptimale Angebotsvielfalt

(13) .

Dieses Ergebnis bedeutet nichts anderes, als dass die wohlfahrtsoptimale Angebotsvielfalt lediglich halb so groß ist wie die Anbieter im Preiswettbewerb bereitstellen. (Vgl. Waterman 1990: 296f) Diese Überproduktion findet in dieser Höhe auch dann statt, wenn die Grenzkosten der Produktion einen beliebigen Wert einnehmen statt - wie in diesem Beispiel - null zu betragen. Das zeigt Salop (1979), der in seinem sehr viel umfassenderen Modell die Möglichkeit positiver Grenzkosten berücksichtigt, aber für den Wettbewerbsfall die gleichen Ergebnisse erhält wie Waterman (1990).

Das Ergebnis einer überoptimal großen Angebotsvielfalt wird auch von Economides (1989b) für den Fall eines kreisförmigen Produktraums mit quadratischen statt linearen Distanzkosten bestätigt. Statt um den Faktor zwei wird hier die optimale Vielfalt um den Faktor (ca. 82 Prozent) übertroffen (Economides 1989b: 189). Ein Überangebot von Vielfalt wird auch schon von Lancaster (1975: 582-584) erwartet. Er stellt zudem fest, dass ein Monopolist mit der Kontrolle über einen größeren Marktbereich weniger differenzierte Produkte anbieten würde als wohlfahrtsoptimal wäre. Er könnte gegenüber der wohlfahrtsoptimalen Situation Fixkosten einsparen, ohne seinen Erlös zu mindern, wenn er auf die Produktion einzelner Varianten verzichtet. (Vgl. Lancaster 1975: 584) >>195<<

Der Widerspruch zu den Ergebnissen von Spence (1976) sowie Spence und Owen (1977) könnte nicht größer sein. Deren Modell geht genau wie das von Salop (1979) und Waterman (1990) von einem symmetrischen Angebot differenzierter Güter aus, stellt jedoch statt einer Überversorgung eine Unterversorgung mit Vielfalt fest. Der Unterschied ist mit den Bedingungen zu erklären, denen die Preisbildung in beiden Modellansätzen unterliegt. Die räumlichen Modelle bilden einen Markt ab, an dem ein Nachfrager (N) nur von einem Anbieter (A) die gesamte Produktionsmenge erwirbt. Dessen Angebot zieht N dabei dem Angebot von Anbieter B vor, der der einzige ernst zu nehmende Wettbewerber von A am Standort von N ist. Beide Anbieter verlangen für ihr Gut einen AON-Preis, den sie als Bertrand-Wettbewerber so setzen, dass ihr Gewinn maximiert wird. Im Marktgleichgewicht ist dieser Preis so hoch, dass ihre Erlöse genau doppelt so groß sind wie zur Kompensation ihres Wohlfahrtsbeitrages nötig wäre.106

Abbildung 4-12 veranschaulicht diesen Effekt anhand des denkbar einfachsten Beispiels. Die Anzahl der Anbieter im Gleichgewicht sei genau 2 (A und B), der Bruttonutzen eines Gutes sei 1 und λ als Maß der Transportkosten sei 2, so dass die Nachfrager, die einem Anbieter im kreisförmigen Produktraum genau gegenüberliegen, eine Zahlungsbereitschaft von null haben. Abbildung 4-12 hat den kreisförmigen Produktraum am Standort von Anbieter A aufgetrennt und stellt ihn als Linie dar. Anbieter B bezieht seinen Standort aufgrund der Symmetriebedingung gegenüber von A, genau dort also, wo der Nutzen des Angebots von A gleich null ist. Aus den Gleichungen (7), (8) und (9) geht ein sowohl von A als auch von B geforderter Preis in Höhe von 1 hervor, was für Anbieter B bei dessen Absatzmarkt einen Erlös in Höhe des gesamten, hell und dunkel schraffierten Rechtecks bedeutet. Dieser Erlös ist doppelt so groß wie der Wohlfahrtsbeitrag von B (WB), der in der Reduktion der Transportkosten der Nachfrager in Höhe der dunkel schraffierten Fläche besteht.107 >>196<<

Abbildung 4-12:
Wohlfahrtsbeitrag und Erlössituation eines Anbieters im Marktgleichgewicht des räumlichen Wettbewerbs mit linearen Transportkosten

In den nicht räumlichen Modellen hingegen verzichten die Anbieter auf einen Preiswettbewerb. Statt dessen passen sie als Cournot-Wettbewerber ihre Produktionsmenge an die Nachfragekurven ihrer Produkte an, deren Verlauf durch die Verfügbarkeit aller alternativen Angebote beeinflusst wird. Die alternativen Angebote stellen dabei nur unvollkommene Substitute dar, die die Nachfrage nach Konkurrenzangeboten niemals vollständig ersetzen können. Der repräsentative Nachfrager erwirbt daher als Nutzenmaximierer von allen Angeboten jeweils einen Teil der potentiellen Produktionsmenge und zahlt dafür einen einheitlichen Preis pro Nutzungseinheit. Solange dieser Preis nicht vollkommen differenziert wird, wird es dem Markt nie gelingen, die optimale Angebotsvielfalt zu finanzieren - die in den Kapiteln 4.4.3.2 bis 4.4.3.4 beschriebenen Effekte verhindern das. Bereits zu Beginn von Kapitel 4.4.4 ist darauf eingegangen worden, warum die Anwendbarkeit des nicht räumlichen Modells für den Medieninhaltemarkt sehr eingeschränkt ist. (Vgl. auch Kapitel 4.4.5.1)


4.4.4.3 Räumlicher Wettbewerb mit freier Produktplatzierung, freien Preisen und fester Qualität

Salop (1979) und Waterman (1990) Vorgehen, die symmetrische Produktplatzierung durch die Anbieter als Modellannahme vorauszusetzen, hat die Analyse zwar vereinfacht, stützt sich jedoch weder auf eine empirische noch auf eine analytische Absicherung. Schon Kapitel 4.4.4.1 zeigte, dass es für Anbieter durchaus attraktiv sein kann, ihre Produkte einander anzupassen, um so Marktanteile von Konkurrenten zu rauben, ohne eigene Marktanteile zu verlieren. Dieser ,,Marktanteilseffekt" Tirole (1995: 621) wird bei freien Preisen allerdings gemildert durch den ,,strategischen Effekt", bei dem durch eine Annäherung der Produkte die Konkurrenz zu Preissenkungen genötigt wird, die den eigenen Erlös wieder mindern können. >>197<<

Economides (1989b) kann mit seiner spieltheoretischen Untersuchung eines Kreismodells mit quadratischen Transportkosten und mehr als zwei Anbietern, freien Preisen und freier Produktplatzierung zeigen, dass die Anbieter im Gleichgewicht gleichmäßige Distanzen zueinander aufbauen und somit eine symmetrische Anordnung einnehmen. Tirole (1995: 619-621) zeigt für ein lineares Modell mit quadratischen Transportkosten und zwei Anbietern nach D'Aspremont, Gabszewicz und Thisse (1979) eine Überkompensation des Marktanteilseffekts durch den strategischen Effekt. Daher werden die Konkurrenten an die gegenüberliegenden Enden der Stadt wandern und eine maximale Produktdifferenzierung anstreben.

Leider liegen keine Untersuchungen für ein lineares Modell mit freien Preisen, freier Produktplatzierung und mehreren Anbietern vor. Dafür gibt es von Economides (1986) zumindest eine kurze Untersuchung, die nach der Existenz von Gleichgewichten im linearen Produktraum mit zwei Anbietern, freien Preisen und freier Produktplatzierung in Abhängigkeit von der Transportkostenfunktion t(d) (d = Distanz zwischen Nachfrager- und Produktadresse) sucht. Bei t(d) = da gibt es für alle a ≥ 5/3 ein Gleichgewicht mit maximaler Produktdifferenzierung. Für 1,26 ≤ a ≤ 5/3 gibt es ein Gleichgewicht, bei dem die Anbieter keine maximale, aber auch keine minimale Produktdifferenzierung betreiben. Ist a jedoch kleiner als 1,26, so gibt es überhaupt kein Gleichgewicht.

Man sollte sich aber bei diesen Berechnungen fragen, wie realistisch die Vorstellung eines Marktes ist, in dem mit der Distanz zwischen Nachfrager und Anbieter die Transportkosten exponentiell steigen. Sucht man den Vergleich zum Transport von Menschen oder Gütern, so erscheint doch ein unterproportionaler Anstieg der Transportkosten mit der zurückzulegenden Distanz naheliegender. Es erscheint angemessen, auch bei den räumlichen Modelldarstellungen eines Marktes für Medieninhalte von linearen ,,Transportkosten" auszugehen.

Auf das von Economides (1986) berechnete Phänomen des Fehlens eines Gleichgewichts im linearen Produktraum mit zwei Anbietern und linearen Transportkosten wiesen schon Lerner und Singer (1937) sowie D'Aspremont, Gabszewicz und Thisse (1979) in ihren Kritiken an Hotelling (1929) Aufsatz hin. D'Aspremont, Gabszewicz und Thisse (1979) suchen innerhalb des Modells von Hotelling (zwei Anbieter, freie Preise, linearer Markt, unbegrenzter Reservationspreis, lineare Transportkosten) nach Preisgleichgewichten für unterschiedliche Anbieterstandorte. Dabei können Sie beweisen, dass nur dann ein Preisgleichgewicht existiert, wenn die Anbieter weit genug voneinander entfernt sind oder den genau gleichen Standort einnehmen. (Vgl. D'Aspremont, Gabszewicz und Thisse 1979: 1145f)

Lerner und Singer (1937) zeigen, wie bedeutend die Länge des linearen Produktraums ist, wenn die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager im >>198<< Gegensatz zu Hotellings Modell eine obere Grenze hat. Zwei gewinnmaximierende Wettbewerber beeinflussen sich demnach überhaupt nicht, wenn die Transportkosten über den gesamten Produktraum mindestens doppelt so groß sind wie der maximale Reservationspreis (ähnlich auch Economides 1984).108 Sind die Transportkosten kleiner, so wählt Anbieter B, der als Zweiter in den Markt eintritt, entweder eine Preis-Standort-Kombination, die den Marktanteil des ersten Anbieters A völlig unbeeinflusst lässt, oder er wählt den gleichen Standort wie A, unterbietet diesen jedoch im Preis. Damit gelingt es B, den gesamten Marktanteil von A zu übernehmen, und er erzielt einen Gewinn, der nur wenig unterhalb des Gewinns liegt, den A vor Bs Markteintritt erzielte. Lerner und Singer (1937) untersuchen diese Situation unter verschiedenen Annahmen über das Verhalten von A und B. Sie entdecken dabei eine Vielzahl instabiler Konstellationen, in denen der Markt kein Preisgleichgewicht erreichen kann.


4.4.4.4 Räumlicher Wettbewerb mit freien Preisen und freier Qualität

Neben Markteintritt, Standort und Preis entscheidet der Anbieter eines differenzierten Produktes auch über dessen Qualität. Qualität als ökonomisch relevante Eigenschaft von Medieninhalten wird von allen Nachfragern geschätzt und ist abhängig von der Höhe der first copy costs, den fixen Kosten der Werkschöpfung. Ein Anbieter wird gerade so viel in Qualität investieren, dass die Kosten der letzten Produktverbesserung gerade noch durch die dadurch erzielten Mehrerlöse gedeckt werden. Um ein Gleichgewicht zu erreichen, muss daher ein abnehmendes Verhältnis von Grenzerlös zu Grenzkosten der Qualität vorliegen.

Für die weitere Diskussion weniger interessant sind die Fälle vertikaler Differenzierung, in denen mindestens zwei Anbieter den gleichen Produktstandort einnehmen, die gleiche Produktvariante aber in unterschiedlichen Qualitäten zu Einheitspreisen anbieten. Eine solche Strategie kann sich lohnen, wenn die Wertschätzung für Qualität oder die Kaufkraft unter den Nachfragern unterschiedlich verteilt sind. Dies zeigte bereits die Preisdifferenzierung zweiten Grades in Kapitel 4.2.3.2, mit der eine Gewinnsteigerung durch das Angebot einer absichtlich verschlechterten Variante eines Gutes mit hohen Produktionsfixkosten erzielt werden kann. Shaked und Sutton (1982) zeigen, dass sich unter den genannten Bedingungen unterschiedlich hohe Qualitäten >>199<< der gleichen Variante auch dann am Markt behaupten können, wenn für die schlechtere Variante allein weitere Fixkosten der Produktion aufgewendet werden müssen. Perfekte Preisdifferenzierung würde einen solchen unnötigen Ressourcenverbrauch verhindern - der Anbieter mit der besten Qualität würde den Preis aller anderen Anbieter am gleichen Standort unterbieten.

Es gibt mit Economides (1989a), Waterman (1990) und Economides (1993) nur drei Forschungsarbeiten, die das Zusammenspiel von Standort, Preis und Qualität im räumlichen Wettbewerb untersuchen. Economides (1989a) betrachtet den Wettbewerb zweier Anbieter in einem linearen Produktraum. Die Transportkosten sind eine lineare Funktion der Distanz. Die Kosten der Qualität sind proportional zum Quadrat des Qualitätsniveaus, und eine Verbesserung der Qualität wird von allen Nachfragern - unabhängig von ihrer Distanz zur Produktadresse - in gleicher Weise geschätzt.

Wenn die Kosten einer Qualitätsverbesserung hoch sind, verzichten die Anbieter im Modell von Economides (1989a) auf einen Qualitätswettbewerb und die Marktergebnisse unterscheiden sich nicht von jenen solcher Märkte, in denen die Qualität exogen vorgegeben ist. Ist eine Qualitätsverbesserung jedoch relativ billig vorzunehmen, so wenden die Wettbewerber Qualität im Kampf um Nachfrager an. Dabei zeigt sich, dass allein diese weitere Wettbewerbsvariable auch bei einem kleinen Produktraum mit hohen Reservationspreisen und linearen Transportkosten den Markt in ein Gleichgewicht führt. Die Anbieter streben dann nach maximaler Produktdifferenzierung und beziehen ihre Standorte an den Enden des Marktes. Economides (1989a: 27) erklärt das damit, dass bei einer Vergrößerung der Produktdistanz eine Qualitätsverbesserung lohnenswert wird, da sie mit der damit möglichen leichten Preiserhöhung den erlösmindernden Marktanteilseffekt mehr als ausgleicht. Es sei daher möglicherweise allein der Mangel an strategischen Variablen im Wettbewerb dafür verantwortlich, dass die auf Hotelling (1929) aufbauenden räumlichen Modelle zu minimaler Produktdifferenzierung tendieren Economides (1989a: 28).

Waterman (1990) untersucht die Folgen eines möglichen Qualitätswettbewerbs auf das Marktgleichgewicht, indem er seine in Kapitel 4.4.4.2 vorgestellte Analyse eines Wettbewerbs differenzierter Güter erweitert. Neben den Preisen können die Anbieter jetzt auch das Qualitätsniveau ihrer Produkte frei wählen; Waterman gibt lediglich die Standorte der Güter mit einer symmetrischen Produktplatzierung vor.

Der Nutzen Uij eines Nachfrager i aus Gut j, den Waterman (1990) in Gleichung (5) noch mit Uij = 1- λxij angibt, beträgt nun

(14) .

Ebenso wie in der Modellvariante ohne freie Entscheidung der Anbieter über die Produktqualität gilt für λ den Transportkostenparameter, 0 < λ ≤ 2. Der Parameter K stellt das Investitionsvolumen für Gut j dar. Der Parame- >>200<< ter γ kennzeichnet die Nutzenelastizität in Abhängigkeit vom Investitionsvolumen, das heißt, je höher γ desto stärker steigt der Nutzen Uij bei einer Erhöhung des Investitionsvolumens. γ ist positiv, jedoch kleiner als 1, da der Anbieter sonst keine Gleichgewichtsposition finden könnte: Das optimale Investitionsvolumen wäre unendlich hoch.

Die multiplikative Form der Nutzenfunktion sorgt dafür, dass die Nutzensteigerung durch eine Erhöhung des Investitionsvolumens proportional zum standortabhängigen Nutzen erfolgt. Das bedeutet auch, dass eine Qualitätssteigerung für marginale Nachfrager bedeutungslos ist. (Vgl. Waterman 1990: 297f) Abbildung 4-13 stellt diesen Zusammenhang in einem aufgetrennten Ausschnitt des Produktkreises dar. Die Abbildung macht aber auch deutlich, dass die multiplikative Form der Nutzenfunktion so interpretiert werden kann, dass die Transportkosten um so höher ausfallen, je größer der Nutzen eines Gutes ist.109

Abbildung 4-13:
Proportionale Nutzensteigerung durch Erhöhung des Investitionsvolumens bei Waterman (1990: 297)

Die Suche nach dem Gleichgewicht beginnt wie in Kapitel 4.4.4.2 mit der Bestimmung des indifferenten Nachfragers Xi, der sich zwischen Gut 1 und Gut 2 befindet und von Produkt 1 mit der Distanz xi entfernt ist. Für ihn gilt für den Fall des Qualitätswettbewerbs der Anbieter

(15)

oder >>201<<

(16) .

Der Anbieter 1 wird das Investitionsvolumen K1 und den Preis P1 so setzen, dass er seinen Gewinn

(17)

maximiert. Wenn man erneut davon ausgeht, dass jeder Anbieter einen Gewinn von null macht, dann erhält man bei symmetrischer Produktplatzierung ein Marktgleichgewicht mit den Werten

(18) ,

(19) ,

(20) .

Nach vollständiger Differenzierung zeigen (18) und (19) erwartungsgemäß, dass die Produktvielfalt n* um so höher ist, je größer die relativen Transportkosten λ sind, und dass das Investitionsvolumen K* für ein Gut um so höher ist, je größer die Nutzenelastizität des Investitionsvolumens γ ist. Weiter zeigt sich jedoch, dass ein hohes γ einen senkenden Effekt auf die Produktvielfalt hat. Dies liegt an den höheren Skalenökonomien von Investitionen in die Qualität eines einzigen Gutes, was wiederum die Anzahl der überlebensfähigen Produkte senkt. Entsprechend hat umgekehrt auch λ einen senkenden Effekt auf das Investitionsvolumen für ein einziges Gut im Gleichgewicht. Sind die Transportkosten hoch, so sind die Erträge einer Qualitätsverbesserung relativ gering, was wiederum eine höhere Produktvielfalt zulässt. (Vgl. Waterman 1990: 298)

Das Wohlfahrtsoptimum wird entsprechend dem Vorgehen aus den Gleichungen (12) und (13) aus der Maximierung des sozialen Überschusses bestimmt, wobei aber nun zusätzlich zur wohlfahrtsoptimalen Produktvielfalt no (23) auch das wohlfahrtsoptimale Investitionsvolumen Ko (22) eines Gutes bestimmt werden muss:

(21)

(22)
>>202<<

(23) .

Ein Vergleich von (19) und (22) macht deutlich, dass die Investition in die Qualität eines im Wettbewerb angebotenen differenzierten Gutes unter dem wohlfahrtsoptimalen Wert bleibt.

Ein Vergleich von (18) und (23) führt zu

(24) .

Damit übertrifft die Überproduktion von Vielfalt im Wettbewerb mit freier Qualitätswahl sogar noch den entsprechenden Wert im Wettbewerb mit festgelegter Qualität. Der durch den Qualitätswettbewerb allein ausgelöste wohlfahrtsmindernde Effekt ist dabei um so stärker, je höher die Transportkosten sind und je geringer sich eine Veränderung des Investitionsaufwandes in der Wertschätzung für ein Produkt ausdrückt. (Vgl. Waterman 1990: 300)

Economides (1993) verwendet ebenfalls einen kreisförmigen Produktraum mit linearen Transportkosten. Im Gegensatz zu Waterman (1990) gibt Economides (1993) jedoch keine symmetrische Produktplatzierung vor. Auch wendet er statt einer multiplikativen eine additive Form der Funktion des Nachfragernutzens an. Damit wirkt sich eine Qualitätsverbesserung auch positiv auf die Wertschätzung durch marginale Nachfrager aus. (Vgl. Economides 1993: 239)110 Economides untersucht sowohl ein dreistufiges Spiel, bei dem die Anbieter zuerst über den Markteintritt, dann über den Standort, und zuletzt über Qualität und Preis des Gutes entscheiden, als auch ein vierstufiges Spiel, bei dem die Anbieter in der dritten Stufe nur die Produktqualität und erst in einer vierten Stufe den Preis bestimmen.

Im Wesentlichen kann Economides (1993) die Ergebnisse von Waterman bestätigen. Darüber hinaus gelingt ihm der Nachweis, dass in beiden Spieltypen eine symmetrische Anbieterverteilung zu einem stabilen Gleichgewicht mit gleicher Qualität und gleichen Preisen führt. Aber auch bei asymmetrischer Produktplatzierung, wie sie aus einer zufälligen Abfolge der Standortwahlen einzelner Anbieter hervorgeht oder auch im Rahmen einer Abschreckungsstrategie beabsichtigt sein kann, gerät der Markt in ein Gleichgewicht. Die Anbieter werden sich dann allerdings hinsichtlich der Gewinne, Preise, Qualität und Marktanteile unterscheiden, und die Produktvielfalt ist geringer als im symmetrischen Gleichgewicht ohne Gewinne. (Vgl. Economides 1993: 245) >>203<<

Wie bei Waterman (1990) übertrifft auch bei Economides (1993) die Angebotsvielfalt bei freier Qualitätsgestaltung das Doppelte der wohlfahrtsoptimalen Vielfalt. Während dieser Effekt bei Waterman (1990: 300) um so stärker ist, je teurer eine Steigerung des Nachfragernutzens über eine Erhöhung der Investitionen in die Qualität ist, ist dies bei Economides umgekehrt: ,,The free market provides a larger number of varieties than is optimal, [. . .] with the ratio of equilibrium to optimal number of varieties decreasing in the cost of quality but bounded below by 2." (Economides 1993: 252) Dieses Phänomen ist beim vierstufigen Spiel ausgeprägter als beim dreistufigen. Auch das von den Anbietern gewählte Qualitätsniveau weicht beim vierstufigen Spiel stärker vom Wohlfahrtsoptimum nach unten ab als beim dreistufigen. Economides (1993: 249) erklärt dieses Phänomen damit, dass die Anbieter in dem vierstufigen Spiel mit der Möglichkeit zu einem ,,precommitment in quality" einen strategischen Vorteil für den folgenden Preiswettbewerb haben. Sie nutzen diesen strategischen Vorteil zu Kosteneinsparungen, indem sie eine schlechtere Qualität produzieren. Im Gleichgewicht wird damit jedoch lediglich der Markteintritt für weitere Anbieter attraktiv, so dass die Vielfalt weiter steigt und die Preise sinken. (Vgl. Economides 1993: 249f)


4.4.4.5 Räumlicher Wettbewerb mit Preisdifferenzierung

Bis hierher ging die Darstellung des monopolistischen Wettbewerbs mit räumlichen Modellen von Einheitspreisen aus, welche die Anbieter von den Nachfragern fordern. Nutzeneinbußen, die einem Nachfrager dadurch entstehen, dass das differenzierte Produkt nicht genau seinem Geschmack entspricht, haben bei einer solchen Preissetzung die Nachfrager zu tragen. Die räumlichen Modelle drücken dies in den vom Nachfrager zu tragenden Transportkosten aus. Dieses Preisschema ist für solche Nachfrager am günstigsten, deren Standort dem des Anbieters am nächsten ist.

Die räumlichen Modelle lassen aber auch noch ein anderes Preisschema zu: das des einheitlichen Lieferpreises. Hier zahlt jeder Kunde eines Anbieters den gleichen Preis für das Gut, die Transportkosten werden jedoch von den Anbietern getragen. In einem solchen Fall sind alle Nachfrager gleich gut gestellt - jeder hat den gleichen Nutzen und zahlt den gleichen Preis.

Ein Anbieter, der nicht nur in der Lage ist, die Anlieferung der Güter zu übernehmen, sondern grundsätzlich die Nachfrager entsprechend ihres Standortes unterschiedlich behandeln kann, kann perfekte Preisdifferenzierung betreiben. Mit solchen Möglichkeiten wird der Anbieter nur dann einen einheitlichen Lieferpreis fordern, wenn die Nachfrage vollkommen unelastisch ist und er eine Monopolstellung am Markt hat. Der geforderte Lieferpreis schöpft dann den gesamten Nutzen des Nachfragers ab. Handelt es sich jedoch um eine elastische Nachfrage, wird ein monopolistischer Anbieter um so höhere Preise verlangen, je weiter die von ihm belieferten Nachfrager entfernt >>204<< sind. Durch die höheren Preise verliert er zwar etwas Umsatz, spart aber auch Transportkosten ein. (Vgl. Anderson und Thisse 1988: 581)

Beim Markt für Medieninhalte kann man aber davon ausgehen, dass die Nachfrage zwar unelastisch ist (es handelt sich um einen Ein-Gut-Markt), der Anbieter aber kein Monopolist ist, sondern sich einer Substitutionskonkurrenz ausgesetzt sieht. In diesem Bertrand-Wettbewerb versuchen die Wettbewerber, über den Preis ihren Gewinn zu maximieren. Perfekte Preisdifferenzierer werden an jedem Ort den Preis so hoch wie möglich setzen, aber auch niedrig genug, um in einem möglichst großen Marktbereich die Angebote der Konkurrenz zu unterbieten. Diesen Fall untersuchte zuerst ausführlich Hoover (1937) in seinem Aufsatz ,,Spatial Price Discrimination", in dem er wesentliche Ergebnisse für unterschiedlich elastische Nachfragen gewinnt.

Leichter verständlich ist jedoch die Darstellung perfekter Preisdifferenzierung im räumlichen Wettbewerb von Lerner und Singer (1937: 182-184), die sich - für den Markt für Medieninhalte ausreichend - auf eine vollkommen unelastische Nachfrage beschränkt. In einem solchen Fall kann der differenzierte Preis niemals den Wert der Kosten überschreiten, den konkurrierende Anbieter mit der Versorgung eines Ortes hätten. Dieser Wert, der aus der Summe der aufzuwendenden Transportkosten und den marginalen Produktionskosten besteht, bildet zugleich für jeden Anbieter auch seine eigene Preisuntergrenze.

Abbildung 4-14 verdeutlicht diesen Sachverhalt für Produktionsgrenzkosten in Höhe von null. Vom Standort des Anbieters C gehen von der Grundlinie zwei Geraden aus, die gemeinsam ein V bilden und die linearen Transportkosten darstellen. Entsprechende Geraden stellen auch die Transportkosten der Konkurrenten B und D dar (Anbieter B' soll noch ignoriert werden). Sie stellen die Obergrenze der von Cs Nachfragern zu zahlenden Preise dar, denn jeder höhere Preis könnte von B oder D unterboten werden, ohne dass diese damit einen Verlust erleiden würden.

An den Orten c1 und c3 ist der maximale Preis gerade noch hoch genug, um die von C zu tragenden Transportkosten zu finanzieren. Der Marktbereich von C erstreckt sich damit von c1 bis c3, und die Fläche unterhalb der in diesem Bereich liegenden Transportkostengeraden von B und D stellt die erzielten Erlöse dar. Wenn von dieser Fläche die Transportkosten von C abgezogen werden, so bleibt Cs Gewinn als dunkel schraffierte Raute übrig. Der Gewinn eines Anbieters fällt also in Abhängigkeit vom belieferten Abnehmerstandort sowohl um den Wert, um den seine eigenen Transportkosten zunehmen, als auch um den Wert, um den die Transportkosten der Konkurrenz abnehmen. (Vgl. Anderson und Thisse 1988: 579f; Lerner und Singer 1937)

Nachfrager am Standort c2, die bei Einheitspreisen den günstigsten Standort haben, weil sie gar keine Transportkosten tragen müssen, können vom perfekt preisdifferenzierenden Anbieter C jedoch am leichtesten ausge- >>205<< beutet werden. Von allen Nachfragern von C zahlen sie den höchsten Preis für die gleiche Leistung. Andere Nachfrager haben bessere Möglichkeiten, die Substitutionskonkurrenz benachbarter Anbieter gegen den von ihnen gewählten Anbieter zu nutzen. Bei linearen Transportkosten zahlen die Nachfrager an den Standorten c1 und c3 gerade die Hälfte des an c2 zu zahlenden Preises - bei gleichem Nutzen.

Abbildung 4-14:
Erlös- und Gewinnsituation bei perfekter Preisdifferenzierung im räumlichen Wettbewerb mit unelastischer Nachfrage

Perfekte Preisdifferenzierung im räumlichen Wettbewerb ist nicht darauf angewiesen, dass die Transportkosten von den Anbietern getragen werden. Dies ist wichtig für die Märkte von Gütern, in denen die Anbieter die weiter entfernt positionierten Nachfrager nicht dadurch für die Distanz kompensieren können, indem sie die Güter selbst anliefern. Güter, die wie Medieninhalte vielleicht nur annähernd den Geschmack des Nachfragers treffen, müssen bei perfekter Preisdifferenzierung so bepreist werden, dass der Anbieter genau so hohe Gewinne erzielt, als würde er für die Transportkosten aufkommen. Der Nachfrager zahlt nun allerdings lediglich die Differenz zwischen dem erwarteten Nutzen des einen und dem des anderen Gutes. In Abbildung 4-14 entspricht diese Differenz genau dem vertikalen Abstand zwischen der oberen und der unteren Begrenzung der Gewinnraute des an diesem Standort überlegenen Anbieters. Ein Nachfrager am Standort c1 oder c3 zahlt dann einen Preis von null, hat aber auch einen geringeren Nutzen vom Konsum des Gutes als ein Nachfrager am Standort c3, da er vom Anbieter nicht für die Distanz kompensiert wird.

Diese perfekt differenzierten Preise im räumlichen Bertrand-Wettbewerb entsprechen weitgehend dem Lindahl-Preis für ein homogenes öffentliches Gut, wie ihn bereits die Kapitel 4.2.2.4 und 4.2.3.4 beschreiben. >>206<< Sowohl für ein homogenes öffentliches Gut als auch für ein differenziertes Gut zahlt der Nachfrager nur den Preis für die von ihm konsumierten Güter, der dem Nutzen entspricht, den er zusätzlich gegenüber seinem Konsum in einer Alternativsituation ohne diese Angebote erzielt.

Im Fall homogener öffentlicher Güter konsumiert der Nachfrager alle Einheiten zu dem Preis, der seinem Grenznutzen entspricht. Da dadurch bei einem fallenden Grenznutzen auch der Preis fällt, den jeder Anbieter des öffentlichen Gutes bei einer Ausdehnung des Angebots erzielt, gerät der Markt in das wohlfahrtsoptimale Gleichgewicht. Bei differenzierten Gütern jedoch konsumiert der Nachfrager nur ein Gut. Da er mit dem Preis, den er dem Anbieter zahlt, diesem das Überleben am Markt ermöglicht, senkt er gleichzeitig den Preis, den benachbarte Anbieter für ihr differenziertes Gut verlangen können. Überleben können sie nur, wenn der allein durch ihr Angebot zusätzlich erzielte Nutzen immer noch groß genug ist, um die Kosten zu decken. Auch diese Eigenschaft ist der Wettbewerbssituation im Lindahl-Gleichgewicht sehr ähnlich.

Ein einfaches Beispiel ist ein Markt für unterschiedliche Textverarbeitungsprogramme, deren Grenzkosten der Befriedigung eines weiteren Nachfragers als nicht rivales Gut gleich null sind, kein Nachfrager aber mehr als ein Programm haben möchte. Angenommen, Nachfrager N1 sieht in Programm A einen Nutzen von 100 €, in B einen von 70 €, und in C einen von 50 €. Der zusätzliche Nutzen von B und C gegenüber Angebot A ist für Nachfrager N1 negativ. Damit fällt seine Zahlungsbereitschaft für diese beiden Programme niedriger aus als die Grenzkosten des Anbieters. Nur Programm A bietet N1 einen zusätzlichen Nutzen von 30 € gegenüber Programm B und wird daher erworben. Bei perfekter Preisdifferenzierung kann der Anbieter von A jedoch nur diese 30 € als Preis verlangen, da Nachfrager N1 Programm B schon zu einem Preis von null erhalten könnte. Nur wenn es aber andere Nachfrager Ni gibt, die auch unter solchen Bedingungen Programm B oder C vorziehen, werden diese Angebote überhaupt überleben.

Dieses Beispiel ist in der geschilderten Form in der Realität natürlich nicht anzutreffen, da die Anbieter keine entsprechenden Preisverhandlungen mit den Endabnehmern führen. Am Markt für OEM-Software (,,Original Equipment Manufacturer-Software") finden aber schon vergleichbare Verhandlungen zwischen den Computerherstellern und Softwareanbietern statt. Entsprechend liegen die dort gezahlten Preise weit unter denen im Einzelhandel. Für die Softwarehersteller betragen die Grenzkosten der Vergabe von OEM-Lizenzen jedoch nicht nur die Vervielfältigungskosten von Datenträgern und Handbüchern, sondern auch die Opportunitätskosten entgangener Lizenzverkäufe im Einzelhandel an Computerkäufer, welche mit mitgelieferter Konkurrenzsoftware unzufrieden sind.

Wenn perfekte Preisdifferenzierung am Markt für differenzierte Güter der Lindahl-Bepreisung an einem Markt für ein homogenes öffentliches Gut >>207<< derart ähnelt, stellt sich die Frage, ob sie auch diesen Markt in ein wohlfahrtsoptimales Gleichgewicht führt. Zu bedenken ist hier, dass es im monopolistischen Wettbewerb nicht nur um ein Marktversagen hinsichtlich der Produktions- und Konsummenge geht, sondern auch in Bezug auf die Angebotsvielfalt und die Produktqualität.

Zunächst wird gezeigt werden, dass der Markt bei perfekter Preisdifferenzierung nicht mehr Gefahr läuft, minimal differenzierte Güter anzubieten oder gar überhaupt kein Gleichgewicht zu erreichen (Vgl. MacLeod, Norman und Thisse 1988). Abbildung 4-14 zeigt, dass bei der Standortwahl eines neuen Anbieters B' nur die Mitte zwischen zwei vorhandenen Anbietern in Frage kommt, da jeder andere Ort die eigene Gewinnraute kleiner werden ließe.

Es wird aber auch deutlich, dass der dargestellte Bertrand-Wettbewerb mit perfekter Preisdifferenzierung ein Abschreckungsgleichgewicht mit positiven Gewinnen ermöglicht.111 Angenommen, B, C und D würden ihre Standorte so gewählt haben, dass ein neuer Anbieter B' gerade so große Gewinne macht, dass es ihm nur knapp misslingt, seine Fixkosten zu decken. B' wird also auf diesen verlustbringenden Marktzutritt verzichten. B, C und D jedoch machen jeder für sich das Vierfache des von B' nach Markteintritt zu erwartenden Gewinns. Nach Abzug der Fixkosten können Anbieter in einem für sie optimalen Abschreckungsgleichgewicht daher mit einem Reingewinn rechnen, der dem Dreifachen der Fixkosten des Markteintritts entspricht. (Vgl. Anderson und Thisse 1988: 585)

Da die Gewinnraute eines Anbieters bei perfekter Preisdifferenzierung exakt seinem Beitrag zur Wohlfahrt entspricht, wählen die Anbieter wohlfahrtsoptimale Standorte, die die Kosten der Distanz der Nachfrager zu den Anbietern minimieren. Dieses Ergebnis von Lerner und Singer (1937: 182-184) wird auch von Lederer und Hurter (1986: 623) bestätigt. Nur in dem Fall, dass die Firmen unterschiedliche Transportkosten oder Grenzkosten der Produktion haben, wird die Standortwahl der Anbieter vom Wohlfahrtsoptimum abweichen (vgl. Gupta 1994). Dieser Fall ist aber am Markt für Medieninhalte nicht zu erwarten. Für die Zahl der Anbieter ist aufgrund der Anreizstruktur zu erwarten, dass sie die optimale Zahl einnimmt. Allenfalls ein Abschreckungsgleichgewicht kann die Zahl senken - bei linearen Transportkosten auf ein Minimum von der Hälfte der optimalen Anbieterzahl. (Vgl. Anderson und Thisse 1988: 585)

In einem direkten Vergleich unterschiedlicher Preissetzungsstrategien in einem unkooperativen Wettbewerb können Anderson und Thisse (1988: 586f) zeigen, dass sich perfekte Preisdifferenzierung beider Anbieter (,,(D,D)") in jedem Fall gegenüber Einheitspreisen beider Anbieter (,,mill >>208<< prices (M,M)") durchsetzen wird, wenn sie technisch möglich ist. Die Anbieter sind dabei interessanterweise einem Gefangenendilemma ausgesetzt, wie Anderson und Thisse (1988: 587, Hervorhebungen dort) beobachten:

    ,,[I]n the (M,M)-case, both firms make higher profits than in the (D,D)-case. This is so because competition is fiercer in the (D,D)-case since each firm has the option to `meet the competition'. By contrast, in the (M,M)-case, a firm must cut its price to all its customers to gain a marginal consumer. Even more surprising, perhaps, is the fact that, in this example, each consumer pays a higher price in the (M,M)-case than in the (D,D)-case."

Die bisherigen Ausführungen zur Preisdifferenzierung sind von Anbietern ausgegangen, die - bis auf die Standortdifferenzierung - vollkommen gleichwertige Güter anbieten. Für den Fall, dass perfekte Preisdifferenzierer die Qualität des Gutes selbst bestimmen können, liegen keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor. Es ist jedoch eine einfache Argumentation möglich, nämlich dass im Gleichgewicht mit perfekter Preisdifferenzierung und Gewinnen von null im räumlichen Wettbewerb nicht nur Zahl und Standorte der angebotenen differenzierten Güter optimal sind, sondern auch ein optimales Verhältnis von Angebotsvielfalt und Angebotsqualität gefunden wird.

Abbildung 4-15 zeigt die Erlös- und Gewinnsituation, wie sie sich für einen potentiellen neuen Anbieter B' darstellt, wenn er ein höherwertigeres Gut anbietet als seine benachbarten Konkurrenten. 112 Wie in Abbildung 4-14 stellt die hell schraffierte Raute den Gewinn von B' dar, mit dem er seine Fixkosten des Markteintritts decken muss. Da die Qualität höher ist als die von B und C, erzielt ein Konsument des von B' angebotenen Gutes auch einen höheren Nutzen. Ein Nutzer an Standort c1, der zuvor zum Preis von null noch das Gut von C kaufte, sieht nun einen Nutzenvorteil im Angebot von B', der der Höhe von B's Gewinnraute an dieser Stelle entspricht. B' schöpft diesen, von seinen Nachfragern gegenüber den Angeboten der Wettbewerber empfundenen, Nutzenvorteil vollständig ab und kommt zusätzlich für die Transportkosten auf. Der von ihm bediente Marktanteil ist bei der hohen Qualität so groß, dass für B und C nur noch die kleinen Streifen zwischen ihren eigenen und den darüber liegenden Transportkostengeraden von B' als Gewinn übrigbleiben. Der Nachfrager am Standort c2 wird dafür durch den Markteintritt von B' wesentlich besser gestellt. Er wählt zwar immer noch das Angebot von C, zahlt dafür aber nur noch einen Bruchteil des Preises, den er ohne B's Angebot an C zahlen würde. >>209<<

Abbildung 4-15:
Markteintritt mit perfekter Preisdifferenzierung und frei wählbarer Qualität

Die Gewinnraute eines perfekt preisdifferenzierenden Anbieters stellt also auch den Wohlfahrtsnutzen korrekt dar, der aus einer Qualitätsverbesserung eines Angebots hervorgeht. Ist der von B' durch sein Angebot entstehende zusätzliche Nutzen so klein, dass der diesem Zusatznutzen genau entsprechende Gewinn nicht in der Lage ist, B's Fixkosten zu decken, so wird B' auf einen Markteintritt in dieser Form verzichten. Wenn sich ein Markteintritt für B' allerdings lohnt, werden B und C vielleicht aus dem Markt ausscheiden müssen, da ihr Gewinn unter den neuen Umständen zu gering ausfällt. Das kann bedeuten, dass sowohl Qualitätsniveau als auch der Abstand von B und C zu gering gewählt wurden und sich ein neues, robusteres Gleichgewicht ergeben wird. Da man von einer natürlichen Obergrenze der lohnenswerten Investition in Qualität ausgehen kann, kann auch analog zur Darstellung in Kapitel 4.4.4.4 davon ausgegangen werden, dass ein stabiles Gleichgewicht mit gleichen Abständen zwischen den Anbietern gefunden wird. Preisdifferenzierung wird dann die Unterinvestition in Qualität abbauen und die Anbieterzahl auf das optimale Niveau führen, was über niedrigere Preise zu einer maximalen Konsumentenrente führt.


4.4.5 Einschränkungen der Übertragbarkeit der Modellergebnisse auf den Markt für Medieninhalte

Mit den räumlichen Modellen des monopolistischen Wettbewerbs wurde bis hierher eine Marktform beschrieben, die auf den Wettbewerb vieler Medieninhalte zutrifft. Die Nachfrager können schon aus zeitlichen Gründen nur einen Bruchteil des Angebots nutzen; wenn sie aber einen Inhalt auswählen, so steht er ihnen vollständig zur Verfügung. Es würde keinen Sinn machen, nur ein >>210<< halbes Buch oder einen halben Spielfilm im Kino zu erwerben. In einigen Bereichen haben sich am Medienmarkt jedoch Vertriebsmechanismen entwickelt, die von dieser Idealvorstellung abweichen. Computersoftware und Datenbanken, die nach Zeittakt oder Nutzungsintensität abgerechnet werden, ermöglichen es dem Konsumenten, die von ihm zu erwerbende Nutzungsmenge eines Gutes selbst zu bestimmen. Gleiches gilt für manche werbefinanzierte Medien. Von einem Ein-Gut-Markt für ein unteilbares Erzeugnis kann also hier keine Rede sein. Auch gehen die simplen räumlichen Modelle von vollkommener Markttransparenz aus, obwohl die Nachfrager das gesamte Marktangebot überhaupt nicht überblicken können und zum Teil erhebliche Suchkosten aufwenden müssen. Die folgende Behandlung dieser und weiterer Sonderaspekte der Medienmärkte ist daher nötig, um die Aussagekraft der Modellergebnisse zu verbessern.


4.4.5.1 Inhaltefinanzierung über nutzungsabhängige Einheitspreise

Viele Medieninhalte stehen zwar in einer Substitutionskonkurrenz zueinander, diese ist jedoch nicht vollständig. Ein Beispiel kann das verdeutlichen: Ein Kinogänger zieht von den ihm angebotenen zwei Spielfilmen den Thriller vor. Nachdem er diesen Film angesehen hat, reizt es ihn trotzdem noch ein wenig, auch den alternativ angebotenen Liebesfilm anzusehen - vielleicht in der folgenden Spätvorstellung. Seine vergleichsweise geringe Nachfrage nach dem Liebesfilm wird also nicht vollständig durch den Thriller befriedigt. Da ein Spielfilm am Abend für seinen Geschmack genug sein dürfte, ist die entsprechende Zahlungsbereitschaft des Kinobesuchers aber nur noch sehr gering. Da sie aber nicht gleich null ist, liegt auch keine vollständige Substitutionskonkurrenz der Angebote vor.

Für den Kinomarkt ist das Phänomen unvollständiger Substitutionskonkurrenz wenig dramatisch, da man sich den Kinoeintritt entweder nur vollständig oder gar nicht kaufen kann. Auch für den Fall von perfekter Preisdifferenzierung hat das keine Auswirkungen, da die Form des (Bertrand-)Wettbewerbs unverändert bleibt. Der Vertrieb von vielen Datenbanken erfolgt jedoch über zeit- oder nutzungsabhängige Preise, womit eine Teilbarkeit der Medieninhalte simuliert wird. Auch bei bestimmten Rundfunkprogrammen, deren Inhalte nicht als abgeschlossene Einheiten, sondern statt dessen in beliebiger Länge aufgenommen werden, wird von den Rezipienten ein nicht monetärer Preis in Form von Opportunitätskosten der Werbung erhoben, welcher von der frei gewählten Nutzungsdauer abhängt. Nutzungsabhängige Zahlungen können in Zukunft eine erhebliche Bedeutung einnehmen, wenn sich das in Kapitel 3.4.1 vorgestellte Konzept der nutzungsabhängigen Mikrozahlungen in den Neuen Medien verstärkt durchsetzt.

Bei einheitlichen Preisen für jede genutzte Einheit eines scheinbar teilbaren Gutes werden die Nachfrager bei unvollständiger Substitutionskonkur- >>211<< renz keine exklusive Wahl für ein Angebot treffen, wie dies bis hierher bei den Modellen des räumlichen Wettbewerbs dargestellt wurde. Da man von einem abnehmenden Grenznutzen des Mehrkonsums einer Inhaltsart ausgehen kann, werden die Nachfrager verschiedene Angebote in unterschiedlichem Ausmaß so nutzen, dass der Nettonutzen aus dem Konsum der jeweils letzten Einheit aus einem Angebot gleich hoch ist. Ein Datenbanknutzer zum Beispiel wird daher nicht mit der vollständigen Ausnutzung nur eines einzigen Angebots seinen Nutzen maximieren, sondern statt dessen mit der jeweils teilweisen Nutzung verschiedener Angebote mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Ähnlich verhält sich der Konsument von Musiksendern, wenn er nach einer Weile den Sender wechselt, weil er sich zwar an seiner Lieblingsmusik ,,satt gehört" hat, auf den Genuss anderer Musikarten aber sehr wohl noch Lust hat.

In einem solchen Markt bedienen die einzelnen Anbieter keine deutlich voneinander abgegrenzten Marktbereiche, die sie als Bertrand-Wettbewerber in einem Preiskampf möglichst groß halten würden. Vielmehr überschneiden sich ihre Marktbereiche, und Gewinnmaximierung werden sie eher als Cournot-Wettbewerber mit einer optimalen Absatzmenge anstreben. Der bisher beschriebene räumliche Wettbewerb mit einer vollkommen unelastischen Nachfrage bildet diesen Wettbewerb nicht mehr korrekt ab. Da aber auch die Annahme eines repräsentativen Konsumenten der Präferenzenvielfalt der Konsumenten unangemessen ist, wird auch das Modell des nicht räumlichen Wettbewerbs nach Spence (1976) und anderen Autoren unzutreffend sein.

Ein Modell aber, das den für diese Wettbewerbssituation zutreffenden Cournot-Wettbewerb im Produktraum mit unvollständigen Substituten explizit abbildet, ist nicht bekannt.113 Die Wirkungen dieses Wettbewerbs auf das Marktergebnis sind daher nur zu vermuten:

(1) Ohne Preisdifferenzierung werden die Anbieter entsprechend den Aussagen der nicht räumlichen Modelle nicht in der Lage sein, den gesamten potentiellen Nutzen ihrer Güter abzuschöpfen. Die Preise pro Nutzungseinheit erfassen erstens nicht den gesamten Nutzen der konsumierten Einheiten und zweitens schließen sie vom Konsum solcher Einheiten aus, durch die ein Nutzen erzielt werden könnte, der unter dem Preis, aber immer noch über den Grenzkosten liegt. Durch die zu geringen Erlöse wird die Angebotsvielfalt gesenkt. >>212<<

(2) Wie bei den räumlichen Wettbewerbsmodellen werden die Anbieter jedoch nur mit wenigen benachbarten Anbietern in scharfer Konkurrenz stehen. Die sich unter diesen Umständen ergebenden Einheitspreise können eine Angebotsvielfalt finanzieren, die möglicherweise wieder über dem Optimum liegt.

Beide Effekte werden sich allenfalls in den Einflüssen auf die Zahl der Anbieter im Gleichgewicht gegenseitig ausgleichen. Mit Sicherheit aber werden sie gemeinsam zu zu hohen Preisen und zu niedriger Qualität führen und damit die soziale Wohlfahrt senken.

Zumindest in einem nicht räumlichen Cournot-Wettbewerb unvollständiger Substitute werden diese Probleme durch vollkommene Preisdifferenzierung gelöst. Spence (1976: 218-220) definiert das Wohlfahrtsoptimum geradezu als das Ergebnis perfekter Preisdifferenzierung, und auch Spence und Owen (1977: 121) erwarten für den Fernsehprogrammmarkt mit diesem Preisschema das Verschwinden jeglicher Fehlsteuerungen. Economides und Wildman (1995) jedoch weisen als einzige auch tatsächlich nach, dass ein Markt im Cournot-Wettbewerb erst mit perfekter Preisdifferenzierung ein wohlfahrtsoptimales Gleichgewicht erreicht. Der von ihnen angenommene zweiteilige Tarif ist ein vollkommen differenzierter Preis im Sinne Lindahls: Er schöpft vom repräsentativen Konsumenten mit dem ersten Preis den gesamten Nutzen ab, den dieser aus dem Konsum aller Einheiten des Gutes erzielt, die er zum zweiten Preis in beliebiger Menge erwerben kann. Dieser zweite Preis als einheitlicher Preis je Nutzungseinheit entspricht genau den Grenzkosten der Produktion, womit die nachgefragte Menge eines Gutes wohlfahrtsoptimal wird. Bei Produktionsgrenzkosten in Höhe von null würde nur mit dem ersten Preis ein Transfer stattfinden. Mit ihm würde der Nachfrager genau so ein unbegrenztes Nutzungsrecht erwerben, als würde er einen AON-Preis zahlen. Mit dem ersten Tarif allein würden die Anbieter die Fixkosten der Produktion finanzieren; und im Gleichgewicht wäre die Angebotsvielfalt optimal.

Tatsächlich ist dieses Ergebnis des von Economides und Wildman (1995) untersuchten Cournot-Wettbewerbs mit Preisdifferenzierung identisch mit dem eines Bertrand-Wettbewerbs unvollständiger Substitute mit perfekter Preisdifferenzierung im Produktraum, obwohl hier die Nachfrager nicht in einem repräsentativen Konsumenten zusammengefasst werden. Dieser Unterschied wird jedoch durch die vollkommene Preisdifferenzierung irrelevant, da in beiden Fällen die vollständige Abschöpfung des Konsumentennutzens aus einem der angebotenen Güter in der gleichen Weise geschieht. Mit anderen Worten führt perfekte Preisdifferenzierung zu einer solchen Verhaltensannäherung der Cournot- und Bertrand-Wettbewerber, dass die jeweiligen Abweichungen vom Wohlfahrtsoptimum vermieden werden. >>213<<


4.4.5.2 Suchkosten verringern die wettbewerbswirksamen Effekte vorhandener Substitutionskonkurrenz

Bevor sich ein Nachfrager für den Erwerb und Konsum eines Medieninhalts entscheidet, muss er zunächst eine Auswahl aus dem Angebot treffen. Im Gegensatz zur vollkommenen Angebotstransparenz der dargestellten Marktmodelle stellt die Wahl des besten Angebots eine aufwendige Angelegenheit für den Nachfrager dar. Er muss Suchkosten aufwenden, die um so höher ausfallen, je höher seine Opportunitätskosten der Zeit sind und je größer die Angebotsvielfalt ist. Als Nutzenmaximierer wird der Nachfrager so lange in die Suche nach dem optimalen Angebot investieren, bis die Suchkosten den Grenznutzen der Suche entsprechen. Der Grenznutzen der Suche besteht in einer Verbesserung der getroffenen Auswahl aus dem Angebot. Das Nutzenoptimum erreicht der Nachfrager bereits dann, wenn er noch nicht jedes Angebot geprüft hat. Die Wahrscheinlichkeit, mit weiterer Suche seine Auswahl entscheidend zu verbessern, wird immer geringer. (Vgl. Kapitel 2.2.4)

Die Preise für differenzierte Güter sind direkt abhängig von der Stärke der Substitutionskonkurrenz am Markt (vgl. Kapitel 4.4.4.2). Nur solche Angebote tragen aber zur Substitutionskonkurrenz bei, die auch tatsächlich von den Nachfragern wahrgenommen werden. Nehmen diese nur einen Teil des Angebots wahr, weil die Suchkosten zu hoch sind, so nehmen die Gleichgewichtspreise einen entsprechend höheren Wert an, als die Modelle bei vollkommener Markttransparenz voraussagen. Dieser Effekt verstärkt sich weiter dadurch, dass höhere Preise wiederum eine nochmals erweiterte Angebotsvielfalt finanzieren, welche ebenfalls die Suchkosten erhöht.

Das Problem kann am besten an einem kleinen Beispiel verdeutlicht werden: Ein Musikliebhaber möchte eine bestimmte CD kaufen. Er weiß, dass sie seinen Geschmack trifft und ihm viele Male Hörgenuss verschaffen wird. Während diese CD fünfzehn € kostet, bietet ein anderer Verleger für nur zehn € eine CD an, die ihm genau den gleichen Nutzen verschaffen könnte. Der Käufer weiß von dem Angebot selbst zwar nichts, er kennt dafür aber die Wahrscheinlichkeit eines solchen Angebots. Da er jedoch seine Suchkosten auf über fünf € schätzt, lohnt sich die Suche für ihn nicht. Bei immer volleren Geschäften gestaltet sich nun die Suche für die Nachfrager immer aufwendiger, und die Preise, die die Anbieter verlangen können, werden immer höher. Als Problem kommt noch hinzu, dass eine weitere Qualitätsverschlechterung der am Markt erfolgreichen Inhalte zu erwarten ist, da das in Kapitel 2.2.4 vorgestellte Problem adverser Selektion durch hohe Suchkosten verschärft wird. >>214<<


4.4.5.3 Besonderheiten der Werbefinanzierung

Da die Finanzierung eines Medieninhalts über Werbeeinnahmen von einer Finanzierung über einen direkten Beitrag der Inhaltekonsumenten verschieden ist, erscheint eine genauere Untersuchung ihrer Besonderheiten angebracht. Preisdifferenzierung scheint bei einer Werbefinanzierung schon technisch ausgeschlossen zu sein. Bei gleichen Opportunitätskosten der Zeit ist es kaum möglich, die von den Nachfragern zu zahlenden nicht monetären Preise zu differenzieren. Schmitz (1990) und andere Autoren gehen zudem davon aus, dass (Fernseh-)Zuschauer in der Werbung einen anfangs positiven, aber abnehmenden Grenznutzen sehen, der in Informations- und Unterhaltungswerten, aber auch in der gebotenen Abwechslung und den Pausen bestehen kann. Einem Preiswettbewerb der Anbieter ist daher eine natürliche untere Grenze der Werbeerlöse je Zuschauer gesetzt. Ein weiteres Senken der Werbeeinblendungen würde zwar die Erlöse pro Zuschauer senken, jedoch kaum durch steigende Zuschauerzahlen ausgeglichen werden.

Mit diesen Mindesteinnahmen je Inhaltenutzer kann Werbefinanzierung einem Anbieter helfen, einen besonders scharfen Wettbewerb zu überleben. Wenn Konkurrenten ein perfektes Substitut anbieten oder wenn eine natürliche Qualitätsobergrenze die Zahl der Anbieter wachsen lässt, kann der von den Nachfragern zu fordernde Gleichgewichtspreis niedriger sein als mögliche Werbeerlöse. (Vgl. Rosse 1987: 117) Werbefinanzierung hat in einer solchen Situation den gleichen Effekt wie Preisregulierungen, da sie den Preiswettbewerb aussetzt und so eine minimale Produktdifferenzierung ermöglicht (vgl. Kapitel 4.4.4.1 sowie Tirole 1995: 653).

Waterman (1990), dessen Anwendung des kreisförmigen Modells des räumlichen Wettbewerbs mit symmetrischer Platzierung und freien Preisen von Informationsgütern bereits ausführlich vorgestellt wurde, untersucht mit diesem Modell auch die Folgen von Werbefinanzierung. Bei monetärer Finanzierung durch die Nachfrager führt der Gleichgewichtspreis in seinem Modell zu einer doppelt so hohen Angebotsvielfalt wie es optimal wäre. Daher liegt Watermans Ergebnis zur Werbefinanzierung nahe, dass eine optimale Angebotsvielfalt dann erreicht werden kann, wenn die Werbeerlöse eines Programmveranstalters die Hälfte der potentiellen Zuschauererlöse betragen würden.

Waterman (1990: 295) geht bei seinem Modell davon aus, dass die Nachfrager der Werbung gleichgültig gegenüberstehen - sie erhalten werbefinanzierte Sendungen also gratis. Kapitel 2.5.2 und 4.4.3.5 stellten bereits dar, dass diese Annahme zurückgewiesen werden muss. Die Nachfrager zahlen vielmehr einen nicht monetären Preis in Form von Opportunitätskosten, der von der Frequenz und der Dauer der Werbeunterbrechungen abhängt. Wildman und Owen (1985) legen zu Recht dar, dass die Opportunitätskosten der Zuschauer beim Gewinnmaximum der Anbieter dem gewinnmaximieren- >>215<< den Preis einer direkten Zuschauerfinanzierung entsprechen. Selbst wenn also die Werbeerlöse die Programmvielfalt auf eine ,,optimale" Zahl begrenzen, haben davon die Zuschauer jedoch nur Nachteile: zu vergleichbaren Preisen steht ihnen unter Werbefinanzierung nur die halbe Angebotsvielfalt zur Verfügung.


4.4.5.4 Vollständige Substitute

Manche Arten von Medieninhalten weisen Eigenschaften natürlicher Monopole auf. Ein hinreichend ausgestattetes Textverarbeitungsprogramm zum Beispiel weist kaum Eigenschaften auf, die die Übertragung des Konzepts horizontaler Differenzierung zulässt - die Nachfrager weisen kaum Geschmacksdifferenzen oder Ähnliches in Bezug auf eine solche Anwendung auf. Theoretisch könnte also ein Anbieter alle Nachfrager versorgen, und die Wohlfahrt würde kaum unmittelbar durch eine Zunahme der Zahl der Anbieter gesteigert werden. Shaked und Sutton (1982) haben jedoch gezeigt, dass bei unterschiedlicher Präferenz der Nachfrager für Produktqualität dennoch ein Überleben mehrerer Anbieter möglich ist, wenn diese ihre unterschiedlich hochwertigen Produkte zu unterschiedlich hohen Einheitspreisen vertreiben. Dieses Phänomen dürfte der eigentliche Grund für die Angebotsvielfalt bei vielen Arten von Computersoftware sein.

Wenn die Anbieter allerdings in der Lage sind, perfekte Preisdifferenzierung zu betreiben, dann ist es allein dem Anbieter mit der höchsten Qualität möglich, alle Nachfrager zu bedienen. Kein Konkurrent könnte einen so niedrigen Preis setzen, dass der Anbieter mit der höchsten Qualität nicht jedem Nachfrager ein attraktiveres Angebot machen könnte. In der resultierenden Monopolsituation müssen die Nachfrager jedoch nicht unbedingt vollständig auf Konsumentenrente verzichten. Der Anbieter wird nicht wünschen, dass der Markt durch seine Monopolpreise so attraktiv für neue Anbieter wird, dass diese mit ihrem Markteintritt seine Monopolsituation zerstören. Daher wird der Monopolist teilweise auf die vollständige Abschöpfung der Konsumentenrente verzichten und im Rahmen einer ,,limit pricing"-Strategie (Shapiro und Varian 1999: 30) Preise fordern, die neue Anbieter hinreichend zuverlässig abschrecken.

    92 An späterer Stelle zeigt dieses Kapitel, dass die Angebotsvielfalt dann optimal wird, wenn es den einzelnen Anbietern ermöglicht wird, mit Preisdifferenzierung ihre Absatzmenge auf die wohlfahrtsoptimale Menge QW auszudehnen.

    93 (Vgl. Müller 1998; Schmitz 1990; Owen und Wildman 1992).

    94 Dieses Problem wurde von Steiner noch ignoriert: ,,In view, however, of the relatively very small extent of resource commitment in the industry I believe these aspects - which would be critically important in an industry such as, say, steel - can be safely neglected." (Steiner 1952: 196 fn3)

    95 Owen und Wildman (1992: 94) weisen darauf hin, dass auch im Wettbewerb Programmduplizierung unterbleibt, wenn die Anbieter - wie bei Bezahlfernsehen - auch über einen Preiswettbewerb um die Zuschauergunst kämpfen. Die Anbieter vollständiger Substitute würden sich dann gegenseitig so weit zu unterbieten versuchen, bis Preis und Erlöse beider Anbieter gleich null sind.

    96 Wenn ein common denominator program angeboten wird, gibt es also keinen potentiellen Zuschauer, der nicht fernsieht.

    97 (Vgl. Müller 1998; Schmitz 1990; Owen und Wildman 1992; Wildman und Owen 1985).

    98 Der Cournot-Wettbewerb steht im Gegensatz zum Bertrand-Wettbewerb, bei welchem die Anbieter versuchen, sich gegenseitig im Preis zu unterbieten, so dass die Nachfrager nur das Gut des Anbieters mit dem besten Angebot konsumieren. Der Bertrand-Wettbewerb führt daher auch im Gegensatz zum Cournot-Wettbewerb zu einer Situation, in der jeder Anbieter jeweils nur einen kleinen Teil des Gesamtmarktes bedient und sich die Marktbereiche der Anbieter nicht überschneiden. (Vgl. Anderson und Thisse 1988: 588) Die räumlichen Modelle des monopolistischen Wettbewerbs sind in der Lage, diese Wettbewerbssituation zutreffend abzubilden.

    99 In diesem Punkt entspricht der perfekt differenzierte Preis dem Lindahl-Preis für homogene öffentliche Güter.

    100 Selbstverständlich gilt dies auch für einen perfekt preisdifferenzierenden Monopolisten, der den gesamten Nutzen aller Konsumenten abschöpft.

    101 Es ist darauf hinzuweisen, dass die aus diesem einfachen Rechenbeispiel zu lesende Diskriminierung hochwertiger Inhalten von Spence und Owen (1977) nicht in dieser Form ausdrücklich angenommen wird (ähnlich auch Spence (1976: 224)). Vielmehr betrachten sie zwei unterschiedlich teure Fernsehprogramme mit identischem Verlauf der Nachfragekurve und sehen keinen offensichtlichen Zusammenhang ,,between program costs and the usual program categories." (Spence und Owen 1977: 112) Erst Owen und Wildman (1992: 111-114) und ähnlich auch Eaton und Lipsey (1989: 729f) machen auf die dadurch mögliche Diskriminierung hochwertiger Güter aufmerksam.

    102 Dies gilt für den Fall linearer Transportkosten, welche proportional mit der Distanz zunehmen.

    103 Ein bekanntes Beispiel hierfür bietet der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf: Beide Bewerber nähern sich einander so weit wie möglich an, um möglichst viele Stimmen aus dem gegnerischen Lager zu erhalten. Der Annäherung sind nur Grenzen gesetzt durch das Risiko, Wahlbeteiligung im eigenen Lager oder die Unterstützung durch wichtige Lobbies zu verlieren.

    104 Ein Konsument, der sich auf der gegenüberliegenden Seite des Kreises befindet, hat einen Abstand xij zu dem Gut in Höhe von ½. Mit λ= 2 beträgt für ihn Uij genau null.

    105 Für den Fall, dass λ> 2, zeigen Lerner und Singer (1937) und Salop (1979), dass es dann Situationen geben kann, bei denen der erlösmaximierende Preis in einem besonderen Bereich der Nachfragekurve liegt: Hier erfolgt durch eine Preissenkung eine doppelt so hohe Ausweitung der Absatzmenge wie in dem von Waterman untersuchten Fall. So etwas kann es nur dann geben, wenn der Markt nicht gesättigt ist, das heißt, dass ein Anbieter durch Preissenkung Nachfrager gewinnen kann, ohne sie von benachbarten Anbietern abwerben zu müssen.

    106 Dies gilt für lineare Distanzkosten (Vgl. Economides 1989b).

    107 Eine Gleichgewichtssituation ist unter den Umständen dieses einfachen Beispiels allerdings nicht realistisch, da praktisch für jeden Nachfrager die Summe aus Preis und Transportkosten den zu erzielenden Bruttonutzen übersteigt. Das Beispiel ist daher nur als eine vereinfachte Darstellung der Zusammenhänge zu verstehen, welche einen (realistischen) Markt mit einer größeren Anbieterzahl ins Gleichgewicht bringen.

    108 Bei solchen Märkten sollte jedoch kritisch gefragt werden, ob es sich überhaupt noch um einen Wettbewerb differenzierter Güter handelt, bei dem von einer Angebotsvielfalt gesprochen werden kann. Diese kann eigentlich nur da herrschen, wo dem Nachfrager eine Vielfalt an Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Produkten angeboten wird. Wenn sich die Marktpotentiale zweier Anbieter jedoch nicht überschneiden, dann handelt es sich vielmehr um zwei benachbarte Monopole, so dass der einzelne Nachfrager überhaupt keine Wahlmöglichkeit hat.

    109 Dieses Phänomen entspricht zwar nicht unbedingt der Erwartung an einen Markt für Medieninhalte, doch werden wir zunächst mit dieser Annahme Watermans Ausführungen folgen. Später wird mit Economides (1993) kurz ein Modell vorgestellt, das diesen Widerspruch zur intuitiven Erwartung vermeidet, aber zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt.

    110 Der für die Stabilität des Systems wichtige abnehmende Grenznutzen einer Investition in die Produktqualität kann in einem solchen Fall nicht wie bei Waterman (1990) durch einen Faktor γ direkt in der Nutzenfunktion angegeben werden. Statt dessen führt Economides (1993: 240) neben der qualitäts- und distanzabhängigen Nutzenfunktion eine konvexe Qualitätskostenfunktion ein.

    111 Dasselbe gilt auch für jedes andere, von allen Anbietern zugleich angewendete Preisschema (Vgl. Anderson und Thisse 1988: 584f).

    112 Dieses Beispiel folgt der additiven qualitätsabhängigen Nutzenfunktion von Economides (1993), wie sie bereits in Kapitel 4.4.4.4 im Gegensatz zur multiplikativen Form von Waterman (1990) vorgestellt wurde.

    113 Die Modelle eines Cournot-Wettbewerbs im Produktraum, die Anderson und Thisse (1988) vorstellen, gehen von vollständigen Substituten aus. Wettbewerber, die ihren Produktstandort frei wählen können, positionieren sich in diesem Fall auch bei perfekter Preisdifferenzierung in der Mitte des (linearen) Produktraums und verursachen so erhebliche Wohlfahrtseinbußen. (Vgl. Anderson und Thisse 1988: 580-583 und die dort vorgestellte Literatur)

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