ÖkonomiederMedieninhalte

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Ökonomie der Medieninhalte.
Allokative Effizienz und Soziale Chancengleichheit in den Neuen Medien
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    ,,Free or forget it!"
    61% aller antwortenden Nutzer des Online-Musiktauschdienstes Napster auf die Frage, wie viel sie für den Dienst und die Musik maximal zu zahlen bereit wären. (DSL Reports 2000)

1 Einleitung

1.1 Fragestellung

Warum sollte Napster von seinen Nutzern Gebühren erheben?1 Da die Nutzer die gesamte Infrastruktur bereitstellen, können die Einnahmen nur durch Zahlungen an die Künstler selbst und andere Inhaber von Rechten an der getauschten Musik gerechtfertigt werden. Jedoch machen die Napster-user geltend, dass sie durch den Besitz entsprechender CDs oft schon legitime Nutzer der heruntergeladenen Musik sind. Wo dies nicht der Fall ist, können die Napster-user oft gar nicht erkennen, wie sie den Künstlern durch Napsternutzung schaden würden, da sie auch ohne Napster die Musik zum CD-Ladenpreis auf keinen Fall erworben hätten. Von entgangenem Einkommen der Rechteinhaber könne daher keine Rede sein. Ohnehin wurde Musik schon immer unter Freunden kopiert, ohne dass die Urheber angemessen entschädigt wurden; Napster ist da lediglich eine technische Neuerung, die das Bedürfnis und den Umfang des Kopierens verdeutlicht.

Die Vertreter der Urheber können dieser Argumentation erwartungsgemäß nicht folgen: Napster und neuere Online-Vertriebskonzepte für Medieninhalte wie Gnutella oder Mojonation seien hauptsächlich deswegen so populär, weil sie zum exzessiven Raubkopieren von urheberrechtlich geschützten Werken anreizen. Dies unterstellt, dass sie an der technologischen Spitze eines Kriminalitätszweiges liegen, der weltweit eine jährlichen Schaden von fast $10 Milliarden verursacht (IIPA 2000). Auf keinen Fall aber lässt sich ausschließlich über vergütungsfreien Vertrieb von Medieninhalten ein Markt für digitale Medieninhalte aufbauen, dem von Industrievertretern bis zum Jahr 2003 ein Potential von weltweit $700 Milliarden eingeräumt wird (Magex 2000). >>2<<

Dabei bestehen bereits die technischen Möglichkeiten, das Internet nicht nur zum (kostenlosen) Vertrieb von Musik, Texten, Bildern und Computerprogrammen zu nutzen, sondern auch wirksam die Rechte der Urheber zu schützen und deren Bezahlung zu garantieren. In dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass die Durchsetzbarkeit der Eigentumsrechte von Urhebern jedoch nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen wohlfahrtsoptimalen Medienmarkt ist. Zwar führen herkömmlichen Märkte für ,,normale" Güter wie Lebensmittel oder Wertpapiere die freiwilligen, vom Eigennutzinteresse gelenkten Entscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer über den Marktmechanismus zu optimalen Resultaten. Ein nach den gleichen Regeln gestalteter Markt für Medieninhalte würde jedoch ohne Piraterie oder großzügige Ausnahmen vom Schutzanspruch der Urheber viele, vor allem kaufkraftschwächere Menschen von der Nutzung gewünschter oder benötigter Medieninhalte ausschließen - einzig und allein weil ihre Zahlungsbereitschaft oder Kaufkraft unterhalb der vom Rechteinhaber gesetzten Marktpreise liegt. Diese Arbeit zeigt in einer genaueren Analyse des Marktes für Medieninhalte ein darüber hinausgehendes Versagen auf: Anbieter erhalten Anreize, eine zu große Vielzahl gleicher Inhalte, eine zu kleine Vielfalt verschiedener Inhalte, und Inhalte mit zu geringer Qualität anzubieten.

Es gelingt der Nachweis, dass der Markt für Medieninhalte erst unter vergleichsweise eigenartigen Voraussetzungen wohlfahrtsmaximierende Anreize für die einzelnen Marktteilnehmer setzt: Alle Menschen müssen freien Zugang zu allen Medieninhalten haben, wobei jeder einzelne für die einzelnen Nutzungsrechte individuell angepasste Preise zahlt, welche die persönlichen Zahlungsbereitschaften wiederspiegeln. Nur dann führen die individuellen Entscheidungen der Marktteilnehmer zu der von freien Märkten erwarteten Allokationseffizienz. Ganz nebenbei würde auch das Problem des preis- und kaufkraftbedingten Nutzerausschlusses gelöst - alle Menschen würden uneingeschränkt am kulturellen und intellektuellen Reichtum der Menschheit teilhaben können. Da bislang keine Marktregeln bekannt sind, die diese Bedingungen auf dem Markt für Medieninhalte erfüllen, widmet sich das letzte Kapitel mit der Erarbeitung des Verfahrens des Collective Pricing of Differentiated Goods (CPDG) einer Lösung dieses Problems.


1.2 Einordnung in den Stand der Forschung

Die Allokationsfähigkeit des Marktes im Medienbereich wurde lange Zeit von den (kontinentaleuropäischen) Wissenschaften vernachlässigt. Es bestand ,,kein Erkenntnisbedarf" für eine mikroökonomische Analyse der Medien, weil die Medien als ,,wettbewerblicher Ausnahmebereich" betrachtet wurden (Schenk und Hensel 1986: 14). Die Dominanz dieser kommunikationswissenschaftlichen Betrachtungsweise der Medien ist verständlich angesichts der >>3<< überragenden gesellschaftlichen Funktion der Medien: Sie und die von ihnen transportierten Inhalte tragen als ,,Sozialisationsagentur" (Wittkämper 1998: 272) entscheidend zur Bildung des politischen Willens und der sozialen Normen bei. Besondere Bedeutung haben dabei die Fragen, ob die individuelle Nachfrage nach Medieninhalten überhaupt die ,,wahren" individuellen und/oder gesellschaftlichen Präferenzen widerspiegelt und ob sich die Anbieter über die Nachfrage hinwegsetzen und ihre eigenen Präferenzen zur Grundlage der Produktions- und Angebotsentscheidungen machen.

Wenn solche Defizite festgestellt werden, ist es Aufgabe der Politik, die ,,Medienmacht" zu kontrollieren und ,,der technischen und wirtschaftlichen Dynamik der Informationsgesellschaft als Anwalt der Grund- und Menschenrechte" (Wittkämper 1998: 263 und 268) gegenüberzutreten. Grundlage für ein Erkennen der vom Medienwettbewerb nicht hinreichend erfüllten ,,publizistische[n] Erwartungen" (vgl. Altmeppen 1996a: 265) sowie für das entsprechende politische Handeln muss jedoch ein Verstehen der Ökonomie der Medien sein, denn das kommerzielle Mediengeschäft unterliegt wie jedes andere privatwirtschaftliche Handeln den Regeln des Marktes (vgl. Owen und Wildman 1992: 2; sowie die Forderungen von Schenk und Hensel 1987). Erkenntnisse über den Inhaltemarkt sind daher auch für den medienpolitischen Schutz der publizistischen Werte von entscheidender Bedeutung.

Als die Wissenschaftsdisziplin, die sich mit den wirtschaftlichen Aspekten der Medien auseinandersetzt, hat sich die Medienökonomie entwickelt.2 Ihr müsste sich eine ,,Ökonomie der Medieninhalte" als Teildisziplin unterordnen können. Das gelingt ihr jedoch nicht ohne weiteres, da - mit Ausnahme der Medienkonzentrationsforschung - in der historisch gewachsenen Medienökonomie eine Aufteilung entlang einzelner Mediengattungen (Zeitung, Fernsehen, Tonträger etc.) besteht. Innerhalb dieser vertikalen Gliederung streben die einzelnen Teildisziplinen, wie zum Beispiel die Ökonomie des Fernsehens, eine möglichst umfassende Analyse aller einzelnen Stufen des Wirtschaftskreislaufes einer Mediengattung an. Ähnliche Wertschöpfungsstufen anderer Mediengattungen werden dagegen von der Betrachtung ausgeschlossen - die Ökonomie des Fernsehens beschäftigt sich entsprechend kaum mit der Herstellung von Zeitungsnachrichten oder dem Vertrieb von Tonträgern. Dieser Ansatz ist zweckmäßig angesichts der >>4<< traditionellen Wirtschaftsstruktur, in der die einzelnen Medienbranchen weitgehend den Mediengattungen entsprechen. Eine eigenständige Teildisziplin für Medieninhalte wäre dagegen unangebracht, da diese bislang nie als solche, sondern immer nur gemeinsam mit den Leistungen anderer Wertschöpfungsstufen der gleichen Mediengattung produziert und angeboten werden.

Die Entwicklung der Neuen Medien erfordert jedoch einen Paradigmenwechsel: Einerseits nimmt die technologische und wirtschaftliche Konvergenz der einzelnen Mediengattungen der Medienökonomie sowohl den Sinn als auch die Möglichkeit der vertikalen Strukturierung der Medienbranche. Andererseits spricht viel dafür, dass in Zukunft die verschiedenen Leistungen einzelner Wertschöpfungsstufen als separate ,,Dienste" am Markt angeboten werden. Mit dem Ersatz des Medienbegriffs durch einen Dienstebegriff in der Medienwirtschaft sollte auch die Medienökonomie eine horizontale Untergliederung in Teildisziplinen entlang der Dienste vornehmen. Die Medienökonomie hat für den Bereich der Herstellung, des Vertriebs und der Nutzung von Medieninhalten bislang jedoch noch keinen ausgereiften horizontalen Ansatz entwickelt, da die Inhalte immer noch lediglich als Input-Faktor der Medienproduktion betrachtet werden.

Mit der Entwicklung einer Ökonomie der Medieninhalte entspricht diese Untersuchung der erforderlichen horizontalen Betrachtung der Medien- und Kommunikationsbranche. Sie bemüht sie sich damit, einen grundsätzlichen Beitrag für das Verständnis eines Wirtschaftszweiges zu erbringen, an dessen starkes Wachstum viele Hoffnungen auf Wohlstand und Arbeitsplätze geknüpft werden. In den politischen Stellungnahmen ist dabei zumeist nur von dem ökonomischen Potential der technischen Infrastruktur die Rede. Dagegen orientiert sich diese Untersuchung an der Forderung von Riehm und Wingert (1995: 249), die Inhalte in den Mittelpunkt zu stellen, wenn die Risiken und Chancen der Neuen Medien diskutiert werden.

Da sich die Ökonomie der Medieninhalte prinzipiell der Medienökonomie unterordnet, müssten dort - auch trotz der traditionellen vertikalen Gliederung - viele wichtige Beiträge für diese neue Teildisziplin zu finden sein. Dass dies nur begrenzt der Fall ist, liegt hauptsächlich an dem schon oben angesprochenen Problem des unterentwickelten Interesses an medienökonomischer Forschung. Altmeppen (1996b: 10) zeichnet einen entsprechend desolaten Zustand der Medienökonomie: Sie hat sich noch nicht als selbständige Wissenschaftsdisziplin etablieren können und wird von den Kommunikations-, Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaften zugleich thematisiert. ,,Unterschiedliche disziplinäre Ansätze haben den Vorteil vielfältiger theoretischer und methodischer Zugänge, darin liegen aber auch Nachteile wie eine fehlende fachliche Identität und unsystematische, theoretisch unverbundene Datensammlungen." (Altmeppen 1996b: 10) Ein weiteres Problem besteht in einem Mangel an Kontinuität in der medienökonomischen >>5<< Forschung. ,,[B]ei diesem punktuellen, in zeitlich langen Abständen aufflackernden Interesse an Medienökonomie steht die Disziplin jedesmal vor dem Problem, daß noch nicht einmal die traditionellen Fragen ausreichend beantwortet sind, während es bereits neue Entwicklungen zu bearbeiten gibt." (Altmeppen 1996b: 12)

Altmeppen (1996b) bezieht sich in seinem Urteil auf die deutsche und österreichische Medienökonomie. Es lohnt sich daher ein Blick auf die USA, wo die ,,Medienwissenschaft seit jeher überwiegend nicht der Kommunikationswissenschaft, sondern der Wirtschaftswissenschaft zugeordnet [ist]" (Schenk und Hensel 1986: 11). Tatsächlich bietet gerade die US-amerikanische Forschung zur Fernseh- und Filmbranche eine vergleichsweise ausgereifte und ökonomisch orientierte Diskussion (vgl. beispielhaft Owen, Beebe und Manning 1974; Owen und Wildman 1992; Noam und Millonzi 1993). Der Grund dafür liegt zum einen in der erheblich stärkeren volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Medien in den USA. Zum anderen ist der dortige Fernsehmarkt traditionell fast ausschließlich privatwirtschaftlich organisiert (vgl. Schröder 1997: 2f). Die Beiträge der television economists sind auch deshalb von erheblicher Bedeutung für eine Ökonomie der Medieninhalte, weil das Gut ,,Fernsehen" fast vollständig allgemeineren Definitionen von Medieninhalten entspricht (vgl. Kapitel 2.1). Es verwundert also nicht, dass die Grenzen der US-amerikanischen Medienökonomie gerade zur Finanzwissenschaft und Industrieökonomik fließend sind (vgl. beispielhaft Minasian 1964; Waterman 1990).

In den Wirtschaftswissenschaften haben sich in den sechziger Jahren zwei Forschungszweige entwickelt, die nur scheinbar einen direkten Bezug zu einer Ökonomie der Medieninhalte haben. Die ,,Informations-Society-Forschung" (Schenk und Hensel 1987: 537) versucht, die volkswirtschaftlichen Leistungen der Produktion, Verbreitung und Verarbeitung von Wissen in einem eigenen Informationssektor zusammenzufassen. Für die USA erarbeitete Machlup (1962) als Erster eine umfassende Zusammenstellung der Leistungen des Informationssektors. Ähnliche Versuche folgten auch in anderen Ländern, vor allem in Japan. Der von der japanischen Economic Planning Agency 1985 entwickelte Information Activity Index zeigt jedoch, dass sich der Informationssektor so gut wie gar nicht mit den Bereichen der Produktion, Verarbeitung und Verbreitung von Medieninhalten deckt: ,,Information Activities include the following activities: decision making and planning; creation and production of information; collection, storage and supply of information; processing of information; education and training; transmission and provision of information." (Kurisaki und Yanagimachi 1992: 76f)

Die ,,Economics-of-Information-Forschung" untersucht dagegen ,,die Bedeutung des Faktors Information im Rahmen der ökonomischen Analyse" (Schenk und Hensel 1987: 537). Diese ,,Informationsökonomie" wird als >>6<< Erweiterung der Entscheidungstheorie betrachtet, um den Einfluss von unzureichender oder unsymmetrischer Information auf die Entscheidungsfindung zu diskutieren (vgl. Mattessich 1993: 575-577). Mit einer Ökonomie der Medieninhalte ist diese Informationsökonomie daher nur insoweit verbunden, als manche Medieninhalte informieren können und begrenzte Information auch am Markt für Medieninhalte zu Fehlentscheidungen der Teilnehmer führen kann (vgl. Priest 1994: 19).

Ein relativ neuer ökonomischer Forschungszweig ist in der ,,New-" oder ,,Network-Economy-Forschung" zu sehen. Diese ,,Informationsgüterökonomie" beschäftigt sich mit Medieninhalten, die wie Computerprogramme eine dauerhafte Nutzerbindung aufweisen und/oder eine besonders hohe Marktsättigung erfordern, um ihren vollen Nutzenwert verwirklichen zu können. Neben diesen Eigenschaften stehen in den Beiträgen dieser Disziplin besonders die extrem niedrigen Reproduktionskosten der Informationsgüter im Vordergrund. (Vgl. die Arbeiten von Varian 1998; Shapiro und Varian 1999; Zerdick et al. 1999: 15f)

Die meisten Ergebnisse der Informationsgüterökonomie können direkt auf die Ökonomie der Medieninhalte übertragen werden. Das allein reicht jedoch nicht aus, um dessen Allokationseffizienz zu bewerten, denn die Informationsgüterökonomie beschränkt sich zumeist darauf, erfolgreiche Vertriebspraktiken zu entwickeln. Die entscheidenden Beiträge für die Beurteilung der Fähigkeit von freien Märkten, die Produktion und Verteilung der Medieninhalte wohlfahrtsoptimal zu steuern, kommen vielmehr aus älteren wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen. Zu nennen sind hier vor allem die Finanzwissenschaft mit ihrer Theorie öffentlicher Güter und die Industrieökonomik mit den Untersuchungen zum Wettbewerb differenzierter Güter und zur Preisdifferenzierung. Ohne die Ergebnisse dieser Forschungsfelder wären weder die Formulierung wohlfahrtsoptimaler Regeln für Inhaltemärkte noch die Beurteilung ihrer allokativen Effizienz möglich.


1.3 Vorgehensweise und Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse

Nach der Einleitung bietet das zweite Kapitel (,,Medieninhalte in der Wirtschaft") zunächst eine detaillierte Definition von Medieninhalten. Darauf aufbauend kann mit Hilfe kommunikationswissenschaftlicher und medienökonomischer Erkenntnisse der Inhaltekonsum untersucht werden. Mit dem Konzept externer Effekte des Inhaltekonsums wird auch die Existenz publizistischer Werte in die ökonomisch orientierte Analyse integriert. Als besonders auffällige Eigenschaft der Medieninhalte wird ihre Nichtrivalität im Konsum herausgestellt, da sie einen besonderen Eigentumsschutz der Medieninhalte durch den anschließend vorgestellten Urheberschutz notwendig macht. Der dafür angelegte Exkurs verdeutlicht bereits einen Teil der >>7<< besonderen Schwierigkeiten des Inhaltemarktes, eine hohe Allokationseffizienz zu erreichen: Potentielle Nutzer werden auch dann vom Konsum ausgeschlossen, wenn sie lediglich unfähig sind, den geforderten Preis zu zahlen, ihre Zahlungsbereitschaft aber noch immer über den potentiellen Kosten ihrer Versorgung liegt.

Die anschließende Analyse der Produktion und des Zwischenhandels von Medieninhalten stellt die teilweise untergeordnete Rolle der Inhalte in der traditionellen Medienwirtschaft dar. Auch versucht sie eine - angesichts der eingeschränkten Datenlage schwierige - Erfassung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Inhalteproduktion. Die Darstellung der Wettbewerbsbedingungen der Inhalteproduktion und die Analyse der internationalen Verwertung von Medieninhalten liefern direkte Erkenntnisse für die Beurteilung der allokativen Effizienz von Inhaltemärkten.

Im letzten Teil dieses Kapitels werden die zentralen ,,Kommunikationsmittel" der Inhaltemärkte untersucht: die Finanzierungsformen. Von ihnen hängt entscheidend ab, ob die Präferenzen der Konsumenten am Markt so von den Inhalteanbietern als Nachfrage wahrgenommen werden, dass diese die wohlfahrtsoptimalen Produktions- und Angebotsentscheidungen treffen. Die besonderen Konsumeigenschaften der Medieninhalte sorgen dabei für eine große Vielfalt von Finanzierungsformen. Als indirekte Finanzierungsformen nehmen die Werbefinanzierung sowie in Deutschland auch die öffentliche Rundfunkfinanzierung einen erheblichen Umfang ein. In beiden Fällen kann schon dieses Kapitel erhebliche Mängel der Allokationseffizienz aufzeigen. Die direkten Finanzierungsformen werden zwar ebenfalls diskutiert, bis auf den - schon im Rahmen der Diskussion des Urheberschutzes vorgestellten - Nutzerausschluss werden hier zunächst jedoch keine Steuerungsprobleme ermittelt.

Nachdem das erste Kapitel die grundlegenden Aspekte des Inhaltekonsums sowie die traditionellen Wege der Inhalteproduktion und des Inhaltevertriebs vorgestellt hat, fasst das dritte Kapitel die ,,Auswirkungen der Neuen Medien auf den Inhaltevertrieb" zusammen. Grundlage dieser Wirkungen sind die zunächst vorgestellten technischen Veränderungen der Inhalte, welche erhebliche Mehrwerte bei der Inhaltenutzung schaffen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Möglichkeiten zum Online-Vertrieb und zur Vernetzung der Inhalte zu, da die sich abzeichnenden Veränderungen der Wirtschaftsstruktur auf sie zurückgeführt werden können. Zu erwarten ist insbesondere ein Anstieg der Wettbewerbsdynamik sowie der Ersatz der vertikalen Gliederung der Medienbranche (entlang einzelner Mediengattungen) durch eine horizontale Gliederung (entlang einzelner Wertschöpfungsstufen). Ebenfalls werden von den technischen Veränderungen der Inhalte verschiedene Anpassungen des Urheberrechts ausgelöst. Deren Diskussion macht deutlich, dass die Neuen Medien für den Urheberschutz weder konzeptionelle noch praktische Schwierigkeiten aufwerfen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kann >>8<< abschließend erläutert werden, warum die Medieninhalte zukünftig eine größere Rolle bei der Gewährleistung sozialer Chancengleichheit sowie innerhalb der volkswirtschaftlichen Produktion einnehmen werden.

Die Aufgabe dieser ersten zwei Kapitel besteht in einer ersten analytischen Aufarbeitung der Probleme, die bei der Vermarktung von Medieninhalten auftreten können und in der Regel dazu führen, dass das Ziel der allokativen Effizienz verfehlt wird. Im Vordergrund von Kapitel 3 steht dabei auch, dass (1) in den Neuen Medien eine gesonderte Betrachtung von Medieninhalten als ökonomisches Gut notwendig ist und dass (2) die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Inhalte noch zunehmen wird. In diesen Kapiteln werden auch empirische Daten als Belege der Aussagen angeführt. Da aber die Datenlage aufgrund der geringen Entwicklung einer inhalteorientierten Medienökonomie unbefriedigend ist, können die wesentlichen Aussagen lediglich qualitativ beschrieben werden.

Einige Ergebnisse des anschließenden vierten Kapitels, welches eine ,,mikroökonomische Theorie der Medieninhalte" entwickelt, könnten jedoch kaum mit qualitativen Argumenten allein erarbeitet werden. Hier wird die Analyse der Effizienzprobleme des Inhaltemarktes mit der Auswertung verschiedener mikroökonomischer Modelle und ökonometrischer Kalkulationen fortgesetzt. Zur Vereinfachung wird dabei in der Regel von Umständen ausgegangen, unter denen einem Markt erwartungsgemäß die wohlfahrtsoptimale Steuerung aller individuellen Handlungen gelingen müsste. Die Untersuchung, ob und nach welchen Regeln ein solches Ergebnis auch von einem Markt für Medieninhalte erwartet werden kann, erfolgt entlang folgender Schritte: Zunächst wird ein einzelner Medieninhalt als homogenes öffentliches Gut betrachtet. Hier wird gezeigt, dass nur perfekt differenzierte Lindahl-Preise ein wohlfahrtsoptimales Angebot mit individuell gerechten Preisen finanzieren können. Anschließend wird die Untersuchung auf die Betrachtung von Medieninhalten als differenzierte öffentliche Güter ausgedehnt. In einer Analyse mehrerer Modelle des monopolistischen Wettbewerbs differenzierter Güter können verschiedene Formen des Marktversagens nachgewiesen werden. Diese Probleme werden jedoch immer dann gelöst, wenn die Anbieter perfekt differenzierte Preise erheben. Diese sollen aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit den wohlfahrtsoptimalen Preisen für homogene öffentliche Güter ebenfalls Lindahl-Preise genannt werden.

Das letzte inhaltliche Kapitel entwickelt mit dem Collective Pricing of Differentiated Goods (CPDG) erstmals ein Vertriebsverfahren für Medieninhalte, welches die Zuweisung perfekt differenzierter Lindahl-Preise ermöglicht. Die zwei zentralen Bedingungen dafür bestehen darin, dass (1) jeder Nachfrager Zugang zu allen existierenden Medieninhalten zu den Grenzkosten der Bereitstellung hat und dass (2) für dieses Zugangsrecht für jeden einzelnen Medieninhalt nur der Preis gezahlt wird, welcher der allein auf diesen >>9<< Medieninhalt zurückzuführenden Erhöhung des gesamten potentiellen, individuell bewerteten Nettonutzens aller Medieninhalte entspricht.

Nach einer ausführlichen Diskussion verschiedener relevanter Aspekte des beim Collective Pricing of Differentiated Goods verwendeten Demand-Revealing-Process nach Clarke (1971) bietet das Kapitel eine knappe wohlfahrtsökonomische, wettbewerbspolitische, ethische und juristische Beurteilung des Verfahrens. In einem abschließenden Fazit werden wesentliche Erkenntnisse dieser Untersuchung reflektiert und ihre Konsequenzen für die Medienökonomie und die Medienpolitik aufgezeigt. >>10<<

    1 Napster ermöglicht seinen Nutzern, mit Hilfe eines gratis bereitgestellten Computerprogramms Musikdateien auf dem eigenen, ans Internet angeschlossenen Rechner allen anderen Napster-usern zum Kopieren anzubieten und selbst von anderen Nutzern Musik über das Internet auf den eigenen Rechner herunterzuladen und zu speichern. Die eigentliche Dienstleistung von Napster beschränkt sich auf die Unterhaltung und Aktualisierung einer zentralen Datei mit Verweisen auf alle Musikdateien, welche zum jeweiligen Zeitpunkt auf den Rechnern aller Nutzer online verfügbar sind.

    2 Nach einer von Heinrich (1994: 19) vorgeschlagenen Definition untersucht Medienökonomie, ,,wie die Güter Information, Unterhaltung und Verbreitung von Werbebotschaften in aktuell berichtenden Massenmedien produziert, verteilt und konsumiert werden." Angesichts der generellen ökonomischen Eigenschaften von Medieninhalten und auch aufgrund der Branchenkonvergenz erscheint es jedoch erforderlich, den entsprechend abgeleiteten Begriff der Medieninhalte erheblich auszuweiten. Mit ihm sollen in dieser Untersuchung daher zum Beispiel auch Computerprogramme, Datenbanken, langlebige Literatur aller Art, Tonaufnahmen, audiovisuelle Filme und multimediale Werke in gleicher Weise erfasst werden.

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